Microsoft: Das Ende der Xbox One ist ein Neuanfang

Die Xbox One stirbt? Vielleicht. Doch wenn Microsofts Pläne aufgehen, könnte das Ende der Beginn einer sehr viel erfolgreicheren Zukunft werden, von der sogar Sonys PlayStation 4 nur träumen kann.

Nicht ohne Grund verzichtet Microsoft mittlerweile darauf, Verkaufszahlen zu kommunizieren. Schätzungen zufolge dürfte die Xbox One bei zirka 20 Millionen abgesetzten Geräten weltweit liegen. Die PS4 nähert sich dagegen fast den 40 Millionen. Das Einstampfen der Lionhead Studios und das Ausschlachten der ehemaligen Edelschmiede Rare sprechen eine deutliche Sprache. Nach Erfolg hört sich das jedenfalls nicht an. Stattdessen geht es gefühlt nur noch um „Halo“ und „Forza“, den wirklichen Cashcows. Wenn sogar die PR- und Marketingmanager in den sozialen Netzwerken auf Supermegaschnäppchen aufmerksam machen, bei denen Xbox One-Käufern unzählige Spiele hinterhergeworfen werden, fühlt sich das alles nicht nach einem begehrenswerten, wertigen Produkt an.

Aber…? Aber!

Die Universal Windows Platform

Microsoft ist im Wandel, den so manche Spieler vielleicht noch gar nicht wahrgenommen haben. Alles dreht sich mittlerweile um Windows und die eigenen Geräte – darunter neben der Xbox One auch die Lumia-Smartphones sowie die Surface-PCs. Sicherlich ist Windows 10 noch nicht an dem Punkt, an dem die Schöpfer das Betriebssystem gerne sehen würden. Mir fallen vor allem die zahllosen Updates der letzten Monate seit Release auf. Oder wie sich die Version für Smartphones immer weiter verzögerte. Auch die Xbox One erhielt relativ spät die Aktualisierung auf Windows 10. Trotzdem: Nach und nach wächst das zusammen, was zusammenwachsen soll. Auf der Game Developers Conference wurden die nächsten Schritte für die Zukunft angedeutet: Die Universal Windows Platform (UWP) ermöglicht es Entwicklern, Apps für alle Windows-Plattformen zu entwerfen – egal, ob regulärer Arbeitsrechner oder Xbox One, die ja technisch ohnehin ein solide ausgestatteter Wohnzimmer-PC ist.

Eine Plattform, viele Geräte. (Foto: Microsoft)
Eine Plattform, viele Geräte. (Foto: Microsoft)

Dass ihr beim Kauf des Xbox One-Spiels „Quantum Break“ gratis einen Download-Code für den PC erhaltet, ist nicht nur eine Werbeaktion, sondern Teil des neuen Konzeptes: Windows 10 ist ein Ökosystem, bei dem der Nutzer entscheiden wird, wo er etwas spielt. Microsofts Vision ist es, Entwickler dazu zu animieren, mit Universal-Apps alle Plattformen gleichermaßen anzusprechen: Xbox One, PC oder mobile Geräte. Im besten Fall kauft ihr ein Game nur einmal und könnt es mit einer beliebigen Hardware erleben. Hauptsache, Windows 10 ist installiert. Schon im Sommer 2016 soll es möglich sein, dass Xbox One-Besitzer auf erste Universal Windows Apps zugreifen können. Der Windows Store wird später mit dem Xbox Marktplatz verschmolzen. Das heißt eventuell auch: Mehr praktische Anwendungen für die Xbox One, aber durchaus auch eine steigende Anzahl an Spielen.

Bald nur noch ein Teil des Windows-Ökosystems. (Foto: Microsoft)
Bald nur noch ein Teil des Windows-Ökosystems. (Foto: Microsoft)

Spannend dürfte es zusätzlich für Entwickler werden: Sie programmieren zum Beispiel Games nicht nur für potentiell 20 Millionen Xbox One-Konsolen, sondern für mittlerweile über 200 Millionen PCs mit Windows 10. Dazu gesellen sich bald etliche Millionen Smartphones mit Windows 10 Mobile. Fraglich ist höchstens, ob sich dadurch nicht die Anzahl großer Blockbuster-Spiele reduziert, da Studios bemüht sein dürften, auf allen Plattformen – so unterschiedlich sie bezogen auf die Leistung und Art der Bedienung sein mögen – den kleinsten gemeinsamen Nenner zu finden. Andererseits werden mobile Devices von Jahr zu Jahr besser, die Xbox One ist gegenwärtig höchstens in der PC-Mittelklasse angesiedelt. Microsoft sieht Xbox Live als „Bindeglied“ zwischen allen beteiligten Geräten des Windows 10-Ökosystems, auch langfristig betrachtet. Künftige Computer, Xbox One-Nachfolger und HoloLens werden Bestandteile des erschaffenen Universums. Erwerbt ihr jetzt ein Spiel für die Xbox One, werdet ihr dieses im besten Fall in fünf Jahren noch auf einem Surface Pro 7 mit VR-Brille verwenden – das jetzt als veranschaulichendes Beispiel. Dank plattformübergreifender Speicherstände spielt ihr also dort weiter, wo ihr damals aufgehört habt. Interessante Vorstellung.

Aus der Vergangenheit lernen

Was mir die letzten Monate verstärkt in den Sinn kam: Microsoft möchte zwar Windows 10 etablieren, gibt es allerdings offen für andere Betriebssysteme. Office-Apps sind für iOS und Android erhältlich, die Sprachassistentin Cortana schaffte es sogar ins CyanogenOS, ein mobiles OS, das vor allem im asiatischen Raum an Bedeutung gewinnt. Man legt nach und nach die eigene Überheblichkeit ab, um vom Erfolg anderer zu partizipieren. Eigentlich gar kein Wunder, dass man sich Crossplattform-Gaming zwischen Xbox One, PC und PS4 vorstellen könne. Und dass sich Microsoft jetzt sogar im eSports-Bereich mit der „Xbox Live Tournaments Platform“ engagieren möchte, passt irgendwie auch gut. Aufgeschlossen für Neues, nah an den Trends und Produkte sowie Dienstleistungen für ein Publikum, das sich nicht festlegen möchte.

Der junge Konsument besitzt eben ein Android-Smartphone, zockt an der PS4 und liebt Multiplayer-Matches am PC. Sich dessen bewusst zu sein, besitzt durchaus das Potential, erfolgreicher und flexibler als die Konkurrenz zu agieren. Wenn man es richtig macht. Denn Microsoft war ja schon einmal etwas „offener“: Erinnert ihr euch noch an den Totalflop „Shadowrun“, quasi das erste Cross-Plattform-Spiel, bei dem Xbox 360- und PC- Gamer gemeinsam loslegen konnten? Games for Windows Live ging in eine sehr ähnliche Richtung, allerdings war das aus heutiger Sicht auch ein halbherziger Ansatz. Mit Windows 10 klingt mir das in der Theorie ausgereifter und cleverer. Da passen sogar die Gerüchte rund um einen Xbox One-Nachfolger: Das nächste Konsolenmodell kann so sehr viel besser sein, doch dank des gleichen Ökosystems bleibt es vollständig oder zumindest weitgehend kompatibel.

Wie geht es weiter?

Das Schöne ist, dass wir bald erfahren werden, ob Xbox Live als Bestandteil von Windows 10 funktionieren wird. Den Anfang macht besagte „Quantum Break“-Veröffentlichung im April 2016. Zeitnah erscheinen erste erweiterte Xbox Live-Elemente wie ein Game-Hub mit Gamercard und soziale Komponenten für Windows 10. Das Zusammenfließen der Stores von Xbox und Windows ist für Ende 2016 angedacht. Ab 2017 dürfen Entwickler ihre universellen Apps – egal ob für Xbox One oder Gaming-PC –  auf einem speziellen Onlineportal für die gewünschten Systeme einreichen. Das heißt: Vermutlich in einem Jahr werden wir spüren, ob der Plan Microsofts aufgeht. Ich selbst bin neugierig, ob das klappt und vor allem, wie Entwickler reagieren. Tim Sweeney von Epic gab sich schon skeptisch, da die Universal Windows Platform zu einem Monopol werden könnte. Und was ist eigentlich mit Valves Steam? Schließlich entsteht hier ein potentiell großer Konkurrent, zumindestest unter Windows. Nicht zufällig setzt Valve auf sein SteamOS, nur das will ja auch niemand so recht…

6 Kommentare
  1. David sagt

    Die Überlegungen gab es aber schon seit Windows 8(?) und generell seit dem Windows-Phone, oder? Da geholte Achievements erscheinen ja z.B. auch schon immer bei der Xbox und auch vom Design fand früh eine Annäherung statt. War also nur eine Frage der Zeit, bis das alles miteinander verschmilzt und auch die Xbox wird ja immer mehr als Media Center, statt als Spielekonsole gebranded (ich benutz die auch fast nur für Netflix :P ). Hätte aber nicht gedacht, dass sich die PS4 so viel besser verkauft. Hab mir da jetzt auch mal eine gegönnt, mochte die Xbox aber immer viel lieber und daran hat sich nichts geändert. Wobei auch da die Benutzeroberfläche immer unübersichtlicher wird, noch nicht ganz so schlimm wie bei der PS4, aber auf dem besten Weg dorthin.

    1. Sven sagt

      Naja, die Ansätze gibt es schon länger, richtig. Aber bei MS hat man sich offenbar nicht getraut. Und: Zu Windows 8-Zeiten war ja zum Großteil noch die Xbox 360 mit anderer Hardware-Architektur dominant. Jetzt ist die Xbox One ein PC mit Windows 10, auf Smartphones ist man auch mit Windows dabei und Windows 10 ist dank Gratis-Update gut verteilt. Ich schätze, dass eben bei Microsoft trotzdem vor noch nicht allzu langer Zeit ein Umdenken stattfand. Android- und iOS-Apps waren vor einiger Zeit noch undenkbar. Man muss halt schauen, wohin da die Reise geht. Aber wenn man Windows 10 eben als Ökosystem begreift, dann ist die Xbox One eben nur noch ein Bestandteil. Wie dein PC, an dem du vielleicht sitzt. Das ist nur sinnvoll und konsequent. An sich sogar besser, als es Apple macht, die ja noch zwischen iOS und MacOS unterscheiden. Mal schauen, wie lange noch…

      1. David sagt

        Ich bin da ja ganz komisch, ich hab Android auf dem Handy, sitze nicht vor einem PC, sondern vor einem Mac und am Fernseher hängt eine Xbox :) Dieses ganze „alles aus einer Hand“ ist eine nette Idee, die bei mir leider nicht funktionieren wird.

        1. Sven sagt

          Genau das, siehe Text, wird Microsoft wohl perspektivisch im Hinterkopf haben, da bin ich mir sicher. Aber warten wir es mal ab. :)

  2. […] sein, genauer die eigene Plattform Windows Holographic. Diese eignet sich für AR-Brillen wie Hololens genauso wie beispielsweise für aktuelle und kommende VR-Brillen. Das heißt konkret: Microsoft […]

  3. […] Svens (ältere) Vorstellung von Microsofts Zukunft […]

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