Ouya Ersteindruck: Die 99 Dollar-Konsole nach 24 Stunden

Da steht sie nun – meine nagelneue Ouya-Konsole, für die ich im Herbst letzten Jahres  120 US-Dollar (inklusive Versand nach Europa) bei Kickstarter vorschoss. Mit reichlich Verzögerung trudelte sie aus Hongkong jetzt endlich bei mir ein. Es ist wirklich nicht so, als würde ich die kleine Kiste als Fehlinvestition betrachten, die ersten 24 Stunden mit dem erstaunlich winzigen Würfel sind aber ernüchternd. Ich hatte es ja befürchtet.

Der Controller ist größer als die eigentliche Konsole. (Foto: GamingGadgets.de)
Der Controller ist größer als die eigentliche Konsole. (Foto: GamingGadgets.de)

Vorweg möchte ich allerdings betonen: Viele der genannten Punkte könnten sich mit dem spätestens am 25.Juni, also pünktlich zum offiziellen Verkaufsstart,  geplanten Firmware-Update in Luft auflösen. Das werde ich freilich beobachten und darüber berichten. Hier und jetzt geht’s um meinen Ersteindruck – der glücklicherweise nicht nur negativ ist.

Los geht’s

Ouya ist sichtlich auf Plug & Play ausgelegt. Die unscheinbare Kiste ausgepackt, schon erwarten euch die schon sehr attraktiv aussehende Konsole und der Controller, welcher sich sichtlich am Xbox 360-Gamepad orientiert. Von Haus aus gibt’s auch ein HDMI-Kabel, einen Strom-Anschluss (sogar für EU-Haushalte, sehr gut!) und zwei Duracell-Batterien für das Eingabegerät. Was ihr braucht, das ist ein Fernseher oder Monitor mit HDMI-Eingang, schon kann’s losgehen.

In der dünnen Kurzanleitungen werden euch erste Schritte erläutert, nicht aber, wie ihr die Batterien in den Controller steckt. Nach etwas Probiererer (und ohne zu googeln) dann die Überraschung: Ihr entfernt die Oberschalen der beiden Pad-Seiten, hier kommen die AA-Batterien rein. Ansonsten ist der Rest flott erledigt: Controller mit Konsole verbinden, dank Bluetooth-Standard ist das Paaren intuitiv und schnell abgeschlossen.

Jede Ähnlichkeit ist reiner Zufall. Hier im Vergleich mit dem Xbox 360-Gamepad. (Foto: GamingGadgets.de)
Jede Ähnlichkeit ist reiner Zufall. Hier im Vergleich mit dem Xbox 360-Gamepad. (Foto: GamingGadgets.de)

Dringend nötig ist eine Internetverbindung – über LAN oder WLAN. Bei den ersten drei Versuchen brach meine WLAN-Verbindung ab, einmal wurde das Netz gar nicht gefunden. Komisch: Bei den Geräten, die bis zu 50 Zentimeter entfernt stehen (Apple TV, Xbox 360, PlayStation 3), gab’s noch nie (!) Schwierigkeiten mit dem Empfang. Wenn’s klappt,  müsst ihr ein eigenes Profil einrichten (kein Problem) und eure Kreditkartendaten angeben. Eine Alternative? Die gibt’s derzeit nicht. Ärgerlich, zumal wir ja noch gar nicht wissen, inwiefern wir hier ein sicheres System und einen vertrauenswürdigen Anbieter haben. Es führt offenbar kein Weg daran vorbei!

Android 4.1.2, aber…

Ouya besitzt vier Schultertasten - wie das PS3-Gamepad. (Foto: GamingGadgets.de)
Ouya besitzt vier Schultertasten – wie das PS3-Gamepad. (Foto: GamingGadgets.de)

Na sauber: Sobald ihr euch zum ersten Mal im Menü umschaut und nach den Optionen guckt, fallen euch überall Baustellen auf. Übersetzungen sind nicht vollständig, ständig blitzt das Android-Betriebssystem (immerhin Version 4.1.2) auf, das mit einer unfertigen Benutzeroberfläche versehen wurde. In Systemeinstellungen wird Ouya sogar als Tablet bezeichnet, vermutlich weil sie bezogen auf die Hardware (Tegra 3-Quadcore-Chip, 1GB RAM, 8GB-Flashspeicher, Bluetooth, WIFI, USB..) nichts anderes ist – nur ohne Bildschirm. Es bleibt zu hoffen, dass das eingangs erwähnte Update noch gehörig aufräumt und nicht auch das Gefühl vermittelt, ein billiges Android-Gerät aus China (hah, ist Ouya ja im Grunde) zu sein, sondern eben eine Konsole.

Im gleichen Atemzug seien die Hauptmenüs erwähnt. Klar, sie sind leicht zu bedienen und halten sich an Konventionen, die wir speziell von der Xbox 360 kennen.  Doch die Navigation ist träge, manchmal werden Bilder gar nicht geladen und Spieleinformationen falsch dargestellt. Das ist unattraktiv. Ich erwarte, nein verlange eine professionellere Präsentation für die nahe Zukunft.

Noch mehr „billig“..

Apropos billig: Das Gamepad überzeugt mich gar nicht. Es liegt solide in der Hand, aber ist doch recht leicht, verzichtet auf einen heutzutage üblichen Rumble-Effekt und riecht enorm stark nach Chinachemieplastik. Dazu vermitteln die Oberschalen einen wackeligen Eindruck. Besser sind die Buttons und die zwei Analogsticks, das Steuerkreuz fühlt sich irgendwie unpräzise an. Es ist sicherlich eine Frage der Gewöhnung, in den ersten Stunden sehne ich mich nach einem guten Pad. Angeblich kann ich einen beliebigen PlayStation 3-Controller anschließen – das werde ich bald probieren!

Aufgefallen ist mir ferner, dass der USB-Anschluss sichtlich  nicht schnell als regulärer Datenträger verwendet werden kann. Ist hierzu eine separate App nötig? Oder brauche ich zwingend eine SD-Speicherkarte, um den internen Speicher zu erhöhen? Der wird ja jetzt schon nach den ersten 15 Downloads langsam knapp.

Spiele

Mein erster Tag mit Ouya bot mir noch nicht die Möglichkeit, alle der schätzungsweise 100 angebotenen Spiele auszuprobieren. Ich habe mich in erster Linie für ein paar Action- und Plattform- Spiele entschieden. Die damals beworbenen Top-Titel wie „Dead Trigger“ (und die meisten Tegra 3-optimierten Apps) sucht ihr vergebens. Stattdessen gibt’s Portierungen von „Canabalt HD“ oder „Giana Sisters“ (NICHT „Twisted Dreams“, sondern der Vorgänger) sowie diversen Indie-Entwicklungen. Abgesehen von eins, zwei Ausnahmen fehlt es vor allem an hochwertigen Optimierungen. Die Standard-Auflösung (wo kann ich die übrigens anpassen? Geht offenbar gar nicht!) der Konsole stimmt hier und da nicht mit denen der Games überein, sodass euch beispielsweise am oberen Rand Informationen fehlen. Etliche Spiele ruckeln ungewöhnlich stark („Giana Sisters“) oder sorgen bei schnellen Bewegungen mit dem Gamepad für Chaos. Beispielsweise liefen Figuren bei zwei völlig verschiedenen Spielen an manchen Passagen völlig allein, nachdem ich zu schnell das Steuerkreuz betätigt hatte. WTF?

Wäre schon schön, wenn alle Spiele die Qualität von Final Fantasy III hätten. (Foto: Square Enix)
Wäre schon schön, wenn alle Spiele die Qualität von Final Fantasy III hätten. (Foto: Square Enix)

Was ich vermisse, das sind Spiele, die auch mal zeigen, was in dem vermeintlichen Wunderwürfel steckt. „The Ball“ sieht immerhin klasse aus (freilich deutlich schwächer als die PC-Vorlage), aber wurde ebenfalls miserabel angepasst.  Die Apps unterstreichen, dass einfach noch so viel unfertig ist, wobei ich zig Spiele und die Emulatoren noch nicht unter die Lupe genommen habe. So oder so:  Ist das ein Wunder? Weniger als ein Jahr sind zwischen der erfolgreichen Finanzierung bei Kickstarter und der Veröffentlichung der Konsole vergangen. Das ging womöglich zu schnell. Aber bevor der Tegra 3-Chip der Konsole völlig veraltet ist, musste das Ding wohl fertig werden…?!

Hoffnungen und erstes Fazit

Das wird schon. Oder? (Foto: GamingGadgets.de)
Das wird schon. Oder? (Foto: GamingGadgets.de)

Ich bin trotzdem noch guter Dinge, dass aus Ouya was wird. Klar, sogar im „Handbuch“ richten sich die Verantwortlichen dezent an die Experten und Freaks – das wird wohl auch so bleiben, wenn sich nichts tut. Für ein Massenmarktprodukt ist mir das alles noch zu unsauber, zu experimentell, zu unfertig. Wenn die Schöpfer mit dem nächsten großen Update noch viele Schwächen in den Griff bekommen, die Entwickler vernünftige Portierungen sowie eigene Spiele anbieten und das gesamte System ausgereifter ist – ja dann kann es eine Kaufempfehlung geben. In dieser Form weiß ich echt nicht, wem ich Ouya ans Herz legen kann – es gibt ja gar keine Gründe, die Konsole sofort zu kaufen. Und es ist ja nicht so, als könntet ihr Ouya innerhalb von zwei Sekunden rooten, um beliebige Apps auf dieser laufen zu lassen. Das ist anscheinend etwas aufwändiger. Von daher ist die Konsole nicht so offen, wie  manche womöglich denken.

Aber: Ich sehe unverändert viel Potential, für mich ist es nach wie vor zweitrangig, dass die Maschine nicht exorbitant leistungsfähig ist. Die Idee, alle Spiele ausnahmslos kostenlos ausprobieren und auf Wunsch kaufen zu können, gefällt mir sehr. Das ist zeitgemäß und kundenfreundlich. Die Umsetzung von „Final Fantasy III“ deutet an, dass Ouya auch eine Plattform für professionelle Spiele sein kann. Und Android als Basis ist definitiv ein Pluspunkt, den Entwickler hoffentlich nutzen  und zu schätzen wissen. Aber erst einmal sind die Erfinder der Konsole an der Reihe, überhaupt erst einmal das Gefühl entstehen zu lassen, man sitze vor einer Konsole. Ein Controller und ein paar simpel gestrickte Menüs genügen mir nicht.

Alles weitere – bald! Dies war wie gesagt der Ersteindruck nach 24 Stunden! Im zweiten Ouya-Bericht werde ich weitere Erfahrungen und Erlebnisse gesammelt haben. Mal schauen, ob sich meine Meinung noch ändert. Vorbestellen könnt ihr die Spielekiste nach wie vor auf der offiziellen Webseite.

Wenn ihr Fragen zur Ouya habt – immer her damit

9 Kommentare
  1. Hamrath sagt

    Hat die FF3-Umsetzung eigentlich spezielle Ouya-Features, also z.B. explizite Unterstützung des Gamepads? Oder ist das die ganz normale Android-Version?

    1. Sven sagt

      Naja, alle Spiele sind im Grunde für das Gamepad angepasst, also auch FF3. Sonst gibt’s wohl keine weiteren Unterschiede….

  2. Matthias sagt

    Ah ja, nun bin ich schon ein wenig schlauer. Und trotzdem (oder gerade deswegen) noch immer auf meine Ouya gespannt. Immerhin habe ich schon meine Shipping-Mail erhalten. Das Ding ist also auf dem Weg. Wie viel Zeit verging den bei Dir zwischen Versandmail und dem Klingeln des Paketboten, Sven?

    1. Sven sagt

      Ach, gespannt kannst du auch sein. Gestern hatte ich ein neues Update für die Ouya geladen, hat aber bisher kaum Besserungen gebracht. :/ Zwischen Mail und Versand vergingen knapp zwei Wochen. Hast du schon den DHL Express-Trackingcode bekommen? Also bei mir kam erst ne Mail mit Versand, ein paar Tage später folgte Trackingnummer. Das Ding wird ja direkt aus Hongkong verschickt, vergiss also nicht, die Zollgebühren bereit zu halten. :)

      1. Matthias sagt

        So, seit gestern bin ich auch endlich im Besitz der Ouya. Musste zwar zum Zoll und meine Kreditkarten-Abrechnung vorzeigen, ansonsten gab es aber zum Glück keine Probleme. Der Zollbeamte meinte eh, man „wisse inzwischen über das Gerät“ Bescheid… und habe 70 – 80 Stück auf einen Schlag ins Lager bekommen.

        Heute oder spätestens am Wochenende geht es also ans auspacken.

  3. […] Ouya Ersteindruck: Die 99 Dollar-Konsole nach 24 Stunden | GamingGadgets.de ::: Sven Wernicke hat die Android-Konsole "Ouya" unter die Lupe genommen und zieht ein erstes Fazit… […]

  4. […] geboren, welches sich vom Preis her (119 Euro) auch mit Android-Konsolen wie der Ouya messen kann. Ob es soweit kommt? Warten wir es ab. Im Februar hatten wir ja schon darüber […]

  5. […] überhaupt. Über 8,5 Millionen US-Dollar kamen via Crowdfunding zusammen, auch ich schoss Geld für den Android-basierten Spielewürfel vor. Mitte 2013 erschien das Gerät auch, zahlreiche […]

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