10. Lange Nacht der Computerspiele: Von Retro-Fans und Kreativen

Zum 10. Mal fand die Lange Nacht der Computerspiele in Leipzig statt. Und wieder strahlte dieses Festival etwas ganz Besonderes aus. Ein Erlebnisbericht.

Für mich war es die zweite Lange Nacht der Computerspiele, bereits 2015 schaute ich mir das Event in der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig (HTWK) an. Und wieder hatte zumindest ich meinen Spaß an einer Extraportion Retro-Entertainment.

Es gab ein reichhaltiges Programm. (Foto: GamingGadgets.de)
Es gab ein reichhaltiges Programm. (Foto: GamingGadgets.de)

Retro-Überdosis

Seit nunmehr zehn Jahren können Interessierte auf der Langen Nacht der Computerspiele an zahllosen Computern und Spielkonsolen früherer Tage und der Gegenwart Platz nehmen, um zu zocken. Sehr viel zu zocken! Ich weiß gar nicht mehr so genau, was ich alles am gestrigen Abend spielte, einige Klassiker wie „Bubble Bobble“ und „Super Mario Bros. 3“ waren auf jeden Fall dabei. Dank des leidenschaftlichen Sammlers René Meyer durften etliche Konsolen-Exoten bestaut werden, sogar Apples gescheiterte Spielkonsole Pippin stand einfach so rum. Leider lief auf dieser ein mieses Game, genauso auf dem NeoGeo CD zum Beispiel. Aber irgendwie passte das schon ganz gut zu dem teils fehlenden System des Events.

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Wenn ihr selbst noch nie auf der Langen Nacht der Computerspiele wart: Das Festival findet in einem recht großen Gebäude statt, auf mehreren Etagen und in vielen Räumen verteilen sich die Anspielstationen bzw. Veranstaltungen. Ein Anime-Kino und sogar Löt-Kurse konnte ich entdecken, auch „EvilDragon“, der Schöpfer der Handheld-Konsole Pyra, war höchstpersönlich mit einem Stand vertreten. Den ehemaligen Commodore-Mitarbeiter Petro Tyschtschenko entdeckte ich, als er in einem langen Gang saß und Autogramme gab. Für Käufer seines Buches „Meine Erinnerungen an Commodore und Amiga„. Darüber hinaus verkaufte er Amiga-Einzelteile. Das war schon irgendwie schräg und witzig. Aber auch das war ein Beispiel dafür, dass man der Langen Nacht der Computerspiele ruhig hätte etwas mehr Struktur verleihen können. Hier ein Raum voller C64 und Heimcomputer-Antiquitäten, daneben plötzlich eSportler. Sicherlich: Das „Durcheinander“ führte dazu, dass es immer eine Überraschung war, was der nächste Raum offenbarte. Eine etwas überlegtere Einteilung, zum Beispiel abhängig von den Etagen, hätte ich trotzdem favorisiert. Aber gut, das ist nur Erbsenzählerei. Letztlich zählten andere Aspekte.

In den Gängen des Gebäudes wurde auch gespielt. (Foto: GamingGadgets.de)
In den Gängen des Gebäudes wurde auch gespielt. (Foto: GamingGadgets.de)

Schöne Atmosphäre

Was ich schon 2015 bei der Langen Nacht der Computerspiele mochte, das war die Atmosphäre. Es finden sich die verschiedensten Leute zusammen, um sich an alte PCs zu setzen und loszudaddeln. Jung. Alt. Groß. Klein. Männer. Frauen. Kinder. Als ich am späten Nachmittag eintraf, gingen langsam die Familien und die Studenten sowie älteren Retro-Liebhaber trudelten ein. Und alle wollten ausschließlich ihren Spaß haben und Neues oder Altes entdecken.

Jeder kam zum Spielen dran - es war nicht überfüllt. (Foto: GamingGadgets.de)
Jeder kam zum Spielen dran – es war nicht überfüllt. (Foto: GamingGadgets.de)

Gegenüber dem Vorjahr hatte sich leider etwas zu wenig geändert, somit kannte ich schon recht viel. Sogar die installierten Spiele waren zum Großteil identisch, manche Räume wurden vermutlich nur ein Jahr lang abgeschlossen. So fühlte sich das jedenfalls an.

Kuriose Musikspiele? Check! (Foto: GamingGadgets.de)
Kuriose Musikspiele? Check! (Foto: GamingGadgets.de)

Tolle Ideen

Was zusätzlich schade war: Manch tolle Idee abseits der zahlreichen Spielgeräte und Vitrinen mit Ausstellungsobjekten (alte PC-Games, Verpackungen, Konsolen,…) ging aufgrund einer nicht optimalen Platzierung in dem Lipsius-Bau der HTWK unter. Dabei hätte beispielsweise das Spiellabor eine größere Aufmerksamkeit in einem ansprechenderen Ambiente verdient. Ich quatschte einige Zeit mit Gründerin Julia Huke. Sie sprach darüber, wie sie als Kind mit ihrem Interesse für Videospiele und Technik eine Außenseiterrolle in ihrer Schule einnahm, genauso wie ihr Kompagnon. Das motivierte sie viele Jahre später dazu, Kindern auf spielerische Weise das Programmieren beibringen zu wollen – vielleicht an einem Ort, wo sie von Gleichgesinnten nicht als „Freak“ angesehen werden. Kreativität möchte Julia im Spiellabor durch einfache Programmiertools, „Minecraft“, aber auch programmierbare Roboter fördern – speziell für Kids und Jugendliche. Ein moderner und intelligenter Ansatz. Ich drücke den beiden Gründern die Daumen, dass es mit der Vereinsgründung klappt.

Ein gutes Konzept mit viel Potential. (Foto: GamingGadgets.de)
Ein gutes Konzept mit viel Potential. (Foto: GamingGadgets.de)

Ein feiner Typ ist Sergej Buragin, der in der Berufsbildenden Schule Neustadt mit Schülern allerlei Roboter und kuriose Maschinen baut. Ich hatte in der Vergangenheit schon etwas von ihm hier bei GamingGadgets.de vorgestellt, auf der Langen Nacht der Computerspiele erzählte der gute Mann mit seinem wunderbaren Dialekt über seine anstehenden Projekte. Ein Hoverboard mit Laubbläsern? Basierend auf der Idee aus dem Internet soll hier bald etwas entstehen. Er zeigte mir auch ein Video von einem funktionierenden Roboter, der selbständig Müll vom Strand einsammeln kann. Und nebenbei präsentierte mir Sergej noch die Gedankensteuerungs-Lösung von EPOC und  das MYO-Gestensteuerungs-Armband. Beides wollte bei mir leider nicht klappen, was in dem Fall wohl der störrischen PC-Technik zu verdanken ist.

Sergej Buragin und sein junger Kollege. (Foto: GamingGadgets.de)
Sergej Buragin und sein junger Kollege. (Foto: GamingGadgets.de)

Und noch mehr

Was gab’s noch? Entwickler FAKT Software hatte einige Szenen aus „Crazy Machines 3“ parat, in einem Raum stellten Hobbyentwickler ihre neuen Spiele für Retro-Plattformen wie Commodore Amiga, Gamecube oder Wii vor. Ein paar konnten dort gleich gekauft werden. Zu Unkostenbeiträgen von ein paar Euro. Einem kleinen Musikkonzert konnte ich beiwohnen: Vier Violinisten spielten Melodien aus „Super Mario“-Spielen nach. Eine schöne Idee, leider fand dieses in einem Hörsaal und damit in einer gänzlich unpassenden Location statt. Und es fühlte sich dann doch sogar für mich ein wenig zu nerdig an. Ob es daran lag, dass die Musizierenden alle „Mario“-Mützen trugen?

Sehr viele Angebote und Vorträge von der 10. Langen Nacht der Computerspiele konnte ich aus Zeitgründen nicht wahrnehmen, schließlich ging das Festival von 14.00 bis 1 Uhr – und das Programm war wirklich sehr ausschweifend. Aber das, was ich sah und erlebte, war sehr zufriedenstellend. Das ist jetzt positiv gemeint.

Musikspiele waren auch ein großes Thema. (Foto: GamingGadgets.de)
Musikspiele waren auch ein großes Thema. (Foto: GamingGadgets.de)

Fazit: Gerne wieder

Nächstes Jahr will ich wieder hin. Keine Frage! Die Atmosphäre ist einfach verdammt angenehm. Nerds treffen auf Interessierte, die womöglich gar keinen allzu großen Bezug zu Spielen besitzen. Sämtliche Altersklassen scheint das Thema anzulocken. Alles wirkt sehr familiär und sympathisch. Dieses Positive ist ansteckend und verbreitet gute Laune. Freilich könnte ich etwas nörgeln, denn beispielsweise wurden einige Räume komplett vom Vorjahr übernommen. Für regelmäßige Besucher der Langen Nacht der Computerspiele ist das nicht optimal.

Die Gedankensteuerung klappte bei mir nicht. (Foto: GamingGadgets.de)
Die Gedankensteuerung klappte bei mir nicht. (Foto: GamingGadgets.de)

Aus persönlichem Interesse heraus würden mich die kreativen Projekte abseits von Spielen verstärkt interessieren. Und diese könnte man beim nächsten Mal gerne ansprechender dem Publikum zeigen, um die vielen Facetten des Spielens zu verdeutlichen. Eins, zwei Räume waren auch nicht gerade einladend gestaltet, der mit den ferngesteuerten Autos zum Beispiel. Schon letztes Jahr wusste ich nicht, was mich dort überhaupt erwartet. Egal: Es war ein schöner Abend mit viel Unterhaltung. Nette Leute, viel zum Zocken, gute Stimmung und genügend Überraschungen – das passt!

tl;dr: Ich freu mich auf 2017. Echt jetzt.

5 Kommentare
  1. Moni sagt

    Schade, dass es solche Veranstaltungen nicht öfter und auch in anderen Städten gibt. Das würde ich mir jedenfalls nicht entgehen lassen, aber Leipzig ist halt doch fast 450 km weit weg. Schade.
    Jedenfalls ein schöner Artikel, der Deine persönlichen Eindrücke und die Stimmung gut wiedergibt.

    1. Sven sagt

      Vielen Dank für das Feedback. Bei solchen Events muss man schon sagen: Wer den Mut und die Motivation aufbringt, kann das im Grunde auch selbst in der eigenen Heimat organisieren. Wurde bei der Langen Nacht damals auch gemacht. Und bei vielen Events in der Richtung ebenfalls. Hab ja schon einige Male überlegt, ob ich nicht auch mal sowas in Dresden machen könnte…

  2. Chris sagt

    Hallo Sven, das Thema Gedankensteuerung fasziniert mich schon sehr. Hat es den bei anderen Leuten funktioniert?

    PS: Nächstes Jahr muss ich wohl auch mal nach Leipzig :)

    1. Sven sagt

      Vor mir war jemand mit Glatze – bei dem klappte es wohl ziemlich gut. Also umso mehr Haare, umso schwieriger. Schätze ich. Könnte auch in dem Fall wirklich am PC und vor allem am Stress gelegen haben. Drumherum war es recht laut, was natürlich auch ablenkt. Und Leipzig lohnt sich immer. :)

  3. Stefan sagt

    Ich habe den Link dazu mal direkt einen Freund geschickt und wir sehen mal zu dass wir nächstes mal als Teilnehmer auftreten! Guter Artikel und als Hannoveraner war mir dieses Event bis jetzt unbekannt. Grüße!

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