Amazon mit eigener Spielkonsole? Wieso das (k)einen Sinn ergibt!

Das ist schon seltsam: Das US-Magazin GameInformer, welches zum Spielehändler GameStop gehört, will erfahren haben, dass der Händlerriese Amazon an einer eigenen Spielkonsole werkelt. Die soll zum Weihnachtsgeschäft 2013 erscheinen. Anonyme Quellen haben dies gezwitschert. Ob da nicht eher jemand bei GameStop dem Mitbewerber aus der Reserve locken möchte? Denn sollten die vermeintlichen Informationen stimmen und Amazon eine Spielekiste auf Android-Basis etablieren wollen, könnte der auch hierzulande bekannte Videospieleverkäufer höchstens vom Veräußern der Hardware profitieren, nicht vom Spieleverkauf. Bei digitaler Distribution gibt’s da nicht viel Spielraum für klassische Händler.

Amazon bringt eine Spielkonsole? Was ist an den Gerüchten dran? (Foto: Amazon)
Amazon bringt eine Spielkonsole? Was ist an den Gerüchten dran? (Foto: Amazon)

Gerücht hin oder her: Wie realistisch ist überhaupt eine Amazon-Spielkonsole?

Das Gerücht

Fassen wir zusammen: GameInformer zufolge wird die Konsole mit einem Android-Betriebssystem für „Ende des Jahres“ (evtl. am Black Friday, also am 29.11.2013) erwartet. Umgesetzt wird das Gerät von Leuten, die Erfahrungen im Bereich der Hardware-Herstellung besitzen. Einen speziell angepassten Controller soll es geben, ebenfalls hat man über den Amazon-eigenen Marktplatz Zugriff auf Android-Spiele. Das war’s schon an den Details, die das Magazin gehört haben will.

Unglaubwürdig ist dies nicht, sprechen doch einige Dinge dafür. Welche?

Wieso eine Amazon-Konsole sinnvoll ist

Schon der Kindle Fire (HD) wird als Spielegerät beworben. (Foto: Amazon)
Schon der Kindle Fire (HD) wird als Spielegerät beworben. (Foto: Amazon)

Ende 2013 werden die Xbox One und die PlayStation 4 in die Verkaufsregale kommen. Preislich geht es ab 400 Euro los – für Wenigspieler und Einsteiger ist das zu viel, um sich selbst und die eigenen Kinder unterm Weihnachtsbaum zu beglücken. Wäre es nicht schön, eine attraktive Alternative im Niedrigpreissegment zu erhalten? Für vielleicht 100 Euro? Damit wäre die Spielemaschine vermutlich sogar günstiger als die im Preis nach unten gerutschten Xbox 360 und PlayStation 3. Zugleich könnte man den mittlerweile bekannten Namen Kindle nutzen – die eBook-Reader und Fire-Tablets erreichten die letzten Jahre schon ein Millionenpublikum speziell zum Weihnachtsgeschäft. Ein Kindle Fire Play als stationäre Konsole mit ins Sortiment aufzunehmen, klingt für mich gar nicht mal abwegig.

Im Bereich Software verfügt Amazon durch die Kindle Fire-Modelle ohnehin über genügend Kenntnisse. Diese nutzen bekanntlich Googles Android-Betriebssystem, erhielten aber zahlreiche Anpassungen – vor allem bezogen auf die Benutzeroberfläche.  Ein eigener Appstore ist längst vorhanden, auch dieser könnte gleich übernommen werden.

Apropos: Leistungsfähige Prozessoren – Quadcore-Chips mit schneller GPU zum Beispiel – kosten in der Massenproduktion nicht viel Geld (siehe Tegra 3/4). Letztlich ist ja alles schon vorhanden  und steht bereit zur Nutzung: Komplett entworfene Hardware-Architekturen diverser Elektronikkonzerne und Android mit den wichtigsten Schnittstellen sollten die Entwicklung einer Konsole nicht zu einer enorm kostenintensiven und zeitaufwändigen Angelegenheit machen. Ich könnte mir gut vorstellen, dass das taiwanische Unternehmen Prime View International, Produzent des Kindle, schon eine Konsole auf dem Reißbrett parat hat.

Und Spiele für die Konsole?  Ach, halb so wild. Unzählige Android-Apps unterstützen jetzt schon Bluetooth-Controller zum Beispiel.  Mit einem ordentlichen Marketing-Aufwand und einem Kampfpreis dürfte Amazon eine gute Menge an Konsolen zu Weihnachten absetzen können. Und das wiederum sollte Entwicklerstudios dazu anregen, Spiele für die „neue“ Plattform zu entwerfen. Amazon hat die Bekanntheit, die Erfahrung und die Möglichkeiten, eine solche Konsole zu pushen. Ich traue dem Konzern ohne weiteres zu, innerhalb einer Woche mehr Konsolen zu verkaufen als Nintendo Wii U-Geräte innerhalb eines Jahres. Okay, das ist offenbar kein Kunststück. :)

Wieso eine Amazon-Konsole nicht sinnvoll ist

Die Analysten und Experten bei Amazon sollten ja mitbekommen haben: Android-basierte Konsolen sind ein schwieriges Thema. Ouya war zwar ein Hype-Produkt dank Kickstarter, aber bisher funktioniert das Geschäftsmodell gar nicht. Besonders gut verkauft sich die 99 US-Dollar-Maschine sowieso nicht. Der GameStick, der letztlich nur ein veränderter HDMI-Stick mit Android und einem Bluetooth-Controller ist, verschob sich jetzt schon einige Male. Ob das Konzept der ebenfalls über Crowdfunding finanzierten Alternative besser ankommt? Völlig unklar.

Andere Firmen wie zum Beispiel Snakebyte (unu), BlueStacks (GamePop) oder MadCatz (Project M.O.J.O.) haben ihre Android-Konsolen außerdem in der Pipeline. Dort weiß vermutlich auch  niemand so genau, ob der Markt überhaupt groß genug für eine Vielzahl von Android-Konsolen ist. Von den mobilen Vertretern wie dem iPega Game Player, dem iBenX  Game-Pad, dem Tekniser Tek 807D, dem Nvidia Shield oder dem Archos GamePad ganz zu schweigen. Was, wenn die Leute lieber auf ihrem Smartphone oder Tablet „Angry Birds“ und Co. erleben wollen? Das genügt doch? Davon ab: Bei den zahlreichen Anbietern ähnlich gearteter Konsolen besteht ohnehin die Gefahr des Kannibalisierung.

Schon kein Erfolg - wieso sollte Amazon einen potentiellen Flop herstellen wollen? (Foto: Ouya)
Schon kein Erfolg – wieso sollte Amazon einen potentiellen Flop herstellen wollen? (Foto: Ouya)

Und was nicht vergessen werden sollte: Wäre das Interesse an einer Billig-Konsole potentiell vorhanden, hätten andere Großunternehmen längst reagiert. Ich bin nach wie vor der Meinung, dass Apples Apple TV eine perfekte Daddelkiste zum schmalen Preis wäre. Passiert ist bisher nichts – trotz der mittlerweile beachtlichen Verbreitung und sogar Ansätze für eine Controller-Unterstützung im kommenden iOS 7. Und bei Google startete man zwar erst letztens einen eigenen Android-Spieledienst, Bestrebungen für eine Nexus Spielkonsole gibt’s offenbar nicht. Weil es sich nicht lohnt? Weil es Quatsch ist? Tja…

Wenn, dann dürfte man bei Amazon ohnehin keine ernsthafte Konkurrenz für Xbox One und PS4 im Hinterkopf haben. Eine Android-Konsole in einem ähnlichen Preissegment würde gegenwärtig gar keinen Sinn ergeben. Oder was sollte diese bieten? Eine enorme Leistungsfähigkeit, die Spieleentwickler erst einmal ausnutzen müssen? Eine völlig neue, eigenständige und (abgesehen von Android) nicht auf Standards aufbauende Konsole sollte sogar einem Konzern wie Amazon zu aufwändig und riskant sein. Den möglichen Core-Fokus, so wie es Superannuation gehört haben möchte, halte ich für unwahrscheinlich. Das klingt auch mit einem Amazon-eigenen Entwickler-Studio nicht plausibel, sondern nach einem Millionengrab. Eventuell noch etliche reizvolle Launchtitel bis Ende des Jahres – kaum vorstellbar!?

Und nun?

Vielleicht wird es auch eine Art Streaming-Gerät wie Apple TV - nur mit Spiel-Funktionen? (Foto: Apple)
Vielleicht wird es auch eine Art Streaming-Gerät wie Apple TV – nur mit Spiel-Funktionen? (Foto: Apple)

Und wieder sind wir bei den Spekulationen angekommen. Amazon und eine eigene Spielkonsole? Es gibt Punkte, die dafür sprechen. Aber sicher mangelt es auch nicht an Skepsis und der Frage nach dem Sinn. Vielleicht veröffentlicht das Unternehmen am Schluss „nur“ eine Streaming-Box im Apple TV-Stil mit Spieletauglichkeit? Das wäre in meinen Augen die interessanteste Lösung – eben wenn diese im Vorfeld als Gaming-Mediaplayer positioniert wird. Womöglich kommen einfach neue Kindle Fire-Tablets mit HDMI-Ausgang und Unterstützung für besondere Controller, die mit einer Dockingstation zur Konsole werden? In eine ähnliche Richtung schielen beispielsweise Sony und snakebyte mit unu.

Wie wäre es, würde es Amazon mit Konkurrenten wie Ouya, unu und so weiter aufnehmen und diese vom Markt fegen wollen? Mit genügend finanziellem Backround (vorhanden) und professionellem Marketing zum Weihnachtsgeschäft sollte das ruck zuck schaffbar sein. Nicht, dass dann der PS4 und der Xbox One die Show gestohlen werden.

So oder so: Ich bin gespannt, was da kommt. Nur wann könnte die Ankündigung erfolgen? Auf der gamescom ist Amazon nicht vertreten, auf der IFA schon. Dies wäre wohl nicht der geeignete Ort, oder?

Was schätzt ihr, was Amazon plant?

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