Durovis Dive
Ein Virtual Reality-Erlebnis für an die 50 Euro? Was ihr braucht, das ist nur ein Smartphone mit iOS oder Android. Das klingt spannend, nicht wahr? Nur was taugt Durovis Dive, eine Art Brillengestell eines Münsteraner Startups, wirklich? Der Praxistest klärt euch auf.
Der Weg in die virtuelle Realität
Laut Durvois ist Dive das erste VR-Headset für Smartphones, für das ihr keine Hände benötigt. Spätestens nach dem Auspacken versteht ihr die Grundidee der Peripherie. In der recht großen, für heutige Gadgets typisch stylischen Verpackung findet ihr die VR-Brille, ein Handbuch mit den gröbsten Erklärungen, zwei (warum auch immer) Schutztaschen, eine separate Hülle für kleine Smartphones, Ersatz-Schaumstoff-Material und eine Karte, die euch als Besitzer identifiziert. Einen Mehrwert besitzt diese gegenwärtig noch nicht.
Haltet ihr Dive das erste Mal in den Händen, fällt das recht niedrige Gewicht positiv auf. Aber ist das ein Wunder? Das gesamte Gerät besteht aus Plastik und Gummi. Ein verstellbares Band ermöglicht das rutschfeste Befestigen an eurem Kopf. Und auf der Vorderseite klappt ihr eine Halterung auf, in der ihr euer Smartphone mit maximal 5 Zoll Displaygröße legt. Danach schließt ihr die Öffnung und passt an den Rändern von Dive die Linsen für das linke und das rechte Auge an. Solltet ihr kurzsichtige Brillenträger sein, müsst ihr euch nicht sorgen: Bis zu 9 Dioptrien soll eine Anpassung durch das Schieben der Linsen zum Auge hin bzw. von diesem weg möglich sein. Ich bin zwar nicht so stark „sehbehindert“, das Justieren klappte aber problemlos – gut, allerdings nicht perfekt. Denn ihr müsst selbst das Optimium herausfinden, indem ihr einige Zeit experimentiert.
Was mir nicht besonders zusagt: Die kurze Anleitung verrät nicht eindeutig, wie ihr euer Smartphone einsteckt und welche Software ihr am besten zuerst installieren sollt. Ich benötigte einige Zeit um herauszufinden, wie die Klappe für den Smartphoneeinschub geöffnet wird. Und das dürft ihr recht häufig machen – stets beim Wechsel einer App beginnt die Frickelei. Andererseits ist das Konzept wohl überlegt: Steckt euer Telefon in Dive, wird die Rückseite durch wechselbaren Schaumstoff geschützt. Ein Herausfallen bei schnellen Bewegungen ist nicht gänzlich ausgeschlossen, jedoch sehr unwahrscheinlich.
Solltet ihr Hilfe beim Start benötigen, dann schaut euch das offizielle Video an.
Zugegeben wirkt die gesamte Apparatur relativ billig, was an dem schwarzen, stellenweise dünnen Plastik liegt. Positiv wiederum sind die weichen Schaumstoff-Umrandungen für die Stirn sowie das flexible Gummiband für die Befestigung am Kopf. Mit etwas Pech gelangt unerwünschtes Licht in die Brille, genau genommen unterhalb des Smartphones, was Dive in rund 15 Zentimetern Abstand vor euren Augen hält. Das erschwert bei hell erleuchteten Räumen die Sicht auf das Geschehen.
Aber wie ist das nun mit dem VR- und 3D-Erlebnis?
Die Theorie
Bei Dive kommt das bewährte Side-by-Side(SBS)-Verfahren zum Einsatz. Jedem Auge wird ein eigenes Bild vorgesetzt, das vom Gehirn zusammengefügt und als dreidimensionale Szene interpretiert wird. Diese Technologie ist nicht neu und wird bei den meisten LCD-Shutterbrillen benutzt. Nur hier übernimmt euer Smartphone die Aufgabe, Grafiken, Animationen, Spiele, Filme zu splitten. Auch die Orientierung in einem virtuellen Raum kommt nicht von der VR-Brille, sondern von eurem Telefon. Gryoskop und Bewegungssensoren sind also erforderlich. Von Hexenwerk kann also beim besten Willen nicht die Rede sein, von futuristischem Hightech nüchtern betrachtet auch nicht. Denn alles steht und fällt mit dem Android- oder iOS- Gerät, das ihr besitzt. Umso höher die Auflösung des Displays, umso besser ist die Qualität des Gebotenen. In meinem Fall kamen ein iPhone 5 und ein LG Optimus L9 mit 4,7 Zoll-Display (540 x 960 Pixel) zum Einsatz. Geräte oberhalb von 5 Zoll passen nicht in Dive, zur Sicherheit solltet ihr vor dem Kauf die Liste des Herstellers prüfen. Jedenfalls sind die Unterschiede zwischen beiden Smartphones sofort erkennbar – bezogen auf Schärfe und pixeliger Darstellung. Da hat das iPhone mit Retina-Display (1136 x 640 Pixel) ganz klar die Nase vorn. Nicht unterschätzen solltet ihr die Helligkeit und den allgemeinen Kontrast: Umso mehr, umso besser für die Erfahrung.
App-Angebot
Genug der Theorie! Auf der Webseite von Durovis findet ihr einige App-Empfehlungen, die ihr euch vor dem eigentlichen Start downloaden müsst. Ernüchternd ist hierbei, dass ihr für iOS kaum attraktive Software erhaltet. „The Height“ ist eine immerhin ganz neckische Techdemo, die Dive Unity Headtracking Demo belustigt euch maximal fünf Minuten. Beide Programme zeigen euch die Möglichkeiten, mehr nicht. Die Mitbewerber vom günstigeren Refugio 3D, die eine sehr ähnliche Lösung wie Dive im Angebot haben, listen immerhin noch ein paar weitere Spiele auf, darunter „Rollercoaster 3D“. Selbst entdeckte ich fürs iPhone noch das Flugspiel„GyroTroller und „SlowBall 3D“. Alles schön und gut, aber viel zu wenig und ausnahmslos von einer Qualität, mit der ihr euch nicht allzu lange beschäftigen wollt.
Viel besser sieht’s mit einem Android-Smartphone aus. Für das Google-OS hat Durovis sogar mehrere Anwendungen entworfen, beispielsweise den „Dive Launcher“, mit dem ihr geeignete Apps bequem auswählen könnt, ohne die Brille abnehmen zu müssen. Auch „Dive City Rollercoaster“, „BubbleCars“ und „Dive Wings“ sind ganz nett. Nur genau das ist das Problem: Wirklich sensationelle Spiele bekommt ihr nicht geboten. Vor dem Dive-Kauf solltet ihr direkt auf der offiziellen Webseite und bei refugio3d.net nachschauen, ob genügend Apps für eurer favorisiertes Betriebssystem euer Interesse wecken. Von komplexen, tiefgründigeren und anspruchsvollen Games kann nicht die Rede sein. Alternativ entscheidet ihr euch einfach für die kostenpflichtige „Go Show“-App (Android) oder beispielsweise „3DTube“ (iOS) und guckt euch Trailer und Filme in 3D an. Das ist ebenfalls gar keine Schwierigkeit.
Jetzt aber mal ausprobieren
App starten, Mobiltelefon in Dive einlegen, Gerät aufsetzen, ggf. die Linsen nachjustieren – und dann kann das Vergnügen beginnen. Genau diese Reihenfolge werdet ihr häufig abarbeiten. Schlimmer noch: Möchtet ihr die App wechseln, nehmt ihr das Smartphone aus der Brille und es geht wieder von vorne los. Komfortabel ist das leider nicht. Es ändert sich aber nichts daran, dass Dive ein erstaunlich gutes Gefühl vermittelt, sobald ihr das Bild scharf erkennen könnt. Eure Kopfbewegungen werden dank der Bewegungssensoren akkurat erkannt. Ihr könnt euch in digitalen Umgebungen umschauen oder – abhängig von der App – Vehikel in gewünschte Richtungen lenken. Sowieso ist das gesamte Immersion-Erlebnis nur so gut wie die verwendete Software und der Bildschirm des Smartphones. Gerade was die Spiele betrifft geht da noch einiges, denn häufig fallen Latenz und langweilige Spielkonzepte negativ auf. Warum sollte ich mir damit meine Zeit verschwenden wollen? Wie so oft gilt auch hier: Software sells Hardware. Wenn mir keine besondere Unterhaltung geboten wird, muss ich mir diese Brille nicht unbedingt aufsetzen. Auch nicht für Videos, die ich mir in einer 3D-Qualität anschauen soll, die heutzutage die meisten HDTVs im Wohnzimmer locker übertrumpfen. Was fehlt, das ist eine „Killer-App“, die mir sagt: „Wow, genial!“
Fazit: Gute Idee, aber…
Der Ansatz von Durovis Dive ist nicht neu, das Side-by-Side-Verfahren kommt seit vielen Jahren zum Einsatz. Euch wird hier eine Peripherie serviert, die das Virtual Reality-Erlebnis in solider Form bezahlbar macht. Ich empfinde die Verarbeitung und den Klapp-Mechanismus zwar nicht als großartig, aber das geht in Anbetracht des Preises auf jeden Fall in Ordnung. Weniger gelungen ist dagegen die Tatsache, dass die Linsen recht locker sitzen und sich gerne mal verstellen oder gar aus der Halterung rutschen. Und ärgerlich wird es, fällt zu viel Licht in die Öffnungen in das Gerät – das wirkt sich negativ auf die Darstellung aus. Im Grunde sind das Aspekte, mit denen ihr leben und euch arrangieren könnt. Dagegen macht mich das Software-Angebot alles andere als glücklich. Für iOS könnt ihr die Apps weitgehend vergessen, hier ist nur „3DTube“ eine echte Bereicherung. Für Android ist zwar quantitativ mehr erhältlich, die Qualität hält meine Begeisterung in einem niedrigen Bereich. Und das führt zur der Auffassung, Dive nicht zu benötigen. Klar klappt das, klar gewöhnt man sich an die Schwächen, klar ist das Erlebnis amüsant und stellenweise beeindruckend. Nur das war’s dann auch schon.
Gerne revidiere ich meine Meinung – nur bis dahin muss beim App-Angebot noch sehr viel passieren. Vielleicht wäre der Hersteller gut beraten, die eigene Webseite dazu zu benutzen, Käufern weitere Einsatzgebiete vorzustellen – in Form von Video-Tutorials, Anleitungen, Hilfen etc. Ihr könntet beispielsweise sogar Spieleklassiker wie Quake 2 mit Dive verwenden. Nur das ist eine für Einsteiger anspruchsvolle, langwierige und nervige Angelegenheit. Hier fehlen mir einfach Komfort (z.B. beim App-Wechsel), gute Software und ein Anbieter, der Dive-Besitzer an die Hand nimmt, statt sie sich selbst mit dem gekauften Produkt zu überlassen. Kurzum: Kann man haben, aber ein Muss ist Dive (dezeit) wahrlich nicht.
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