GameStick: Die winzige Android-Spielkonsole im Praxistest

Der GameStick: großer Controller, kleiner Stick. (Foto: GamingGadgets.de)
Der GameStick: großer Controller, kleiner Stick. (Foto: GamingGadgets.de)

Der Trend scheint nicht abebben zu wollen: Noch einige Spielkonsolen auf Basis des mobilen Betriebssystems Google erwarten uns in den nächsten Monaten. Pünktlich zum Weihnachtsgeschäft hat der britische Hersteller PlayJam den GameStick am Start. Und in unserem Praxistest macht die Mini-Spielemaschine einen gar nicht mal schlechten Eindruck.

Frisch ausgepackt

Ihr erinnert euch? Anfang des Jahres sammelten die Erfinder des GameStick bei Kickstarter fast 650.000 US-Dollar ein. Ursprünglich wollten sie mit 100.000 US-Dollar ihre Idee von der Android-basierten Spielkonsole umsetzen. Jetzt, fast neun Monate später, soll das Gerät für 99,99 Euro auch in Europa verkauft werden. Verirrend ist der Preis gegenwärtig, war vor einigen Tagen noch von 79,99 Euro die Rede.

Ähnlich wie bei der ebenfalls bei Kickstarter finanzierten und deutlich mehr gehypten Ouya fällt auch hier die Verpackung positiv auf. Die schicke Schachtel spricht mich sehr an, im Inneren erwartet Käufer weicher Samt, der die eigentliche Konsole, den Controller und die nötigen Kabel sowie die Anleitung schützt. PlayJam hat im Vorfeld an alles gedacht: Der Beipackzettel bietet deutsche Erläuterungen, ein für Deutschland nötiges Netzteil ist selbstverständlich dabei.

Was mich ebenfalls erstaunt: Die elastischen Kabel, das Gamepad, der Stick – alles hinterlässt einen sauberen, ja hochwertigen Eindruck. Gerade wenn ich an das Ouya-Gamepad denke, ist hier der Qualitätsunterschied gewaltig.

Anschließen

Leicht irritierende Anleitung. (Foto: GamingGadgets.de)
Leicht irritierende Anleitung. (Foto: GamingGadgets.de)

Die nächste Überraschung folgt zugleich. Ich hätte zugegeben nicht gedacht, dass der GameStick eine eigene Stromversorgung benötigt. Mittels eines microUSB-Steckers verbindet man den kleinen, unscheinbaren HDMI-Stick mit dem dazugehörigen Netzteil über ein Y-Kabel. Denn dadurch kann gleichzeitig das Gamepad aufgeladen bzw. beim ersten Start mit der „Konsole“ gekoppelt werden. Das ist zugegeben eine seltsame Kabelei, stellt aber trotz der irritierenden Beschreibung in der Anleitung kein großes Problem dar. Trotzdem: Ich hätte vermutet, dass der GameStick seinen Strom über den HDMI-Anschluss des Fernsehers bezieht. Dieser scheint wohl nicht ausreichend zu sein.

Der Rest geht eigentlich flott und intuitiv von der Hand: Sobald der GameStick im HDMI-Port eures Fernsehers steckt und mit dem Gamepad über das Kabel (erstmalige Einrichtung, danach schnurlos dank Bluetooth) verbunden ist, schaltet ihr den Controller ein, die Kopplung erfolgt und los kann’s gehen. Ihr stellt den Zugang zum WLAN-Netz her, danach wird ein Code angezeigt. Diesen nutzt ihr, um am PC oder Tablet die Registrierung eurer Konsole und eures Nutzeraccounts abzuschließen. Die Anmeldung erfolgt also direkt am Rechner, die angegebenen Profildaten werden jedoch sofort zur Konsole geschickt. Insgesamt gibt’s hier keine Schwierigkeiten, der Aufwand ist zusammengefasst überschaubar. Das alles dauert zusammen keine zehn Minuten.

Nichts ist umsonst

Gibt es schon länger für iOS und Android - Ski Safari.
Gibt es schon länger für iOS und Android – Ski Safari.

Ich muss zugeben, dass die Ernüchterung schnell folgte. Sobald ihr bereit zum Spielen seid, navigiert ihr euch durch die spärlich gefüllten Menüs und sucht nach geeigneten Spielen, die ihr ausprobieren könntet. Derzeit umfasst das Angebot etwas über zehn Titel, von denen nur ein Game kostenlos ist: „Shadowgun“. Alle anderen liegen preislich zwischen 1,99 Euro und 4,99 Euro, gekauft werden diese mit der Kreditkarte. Aufgrund der Tatsache, dass der GameStick Gebrauch von Googles Android macht, erhaltet ihr bis auf eins, zwei Ausnahmen (exklusive GameStick-Spiele) nur Umsetzungen bekannter Smartphone- und Tablet- Apps, die teils viel günstiger sind als hier.  Suboptimal ist es außerdem, dass ihr als Käufer der Konsole eigentlich nur besagten Shooter „Shadowgun“ nutzen dürft, wenn ihr zu Beginn kein Geld ausgeben möchtet. Ist der GameStick für eure Kids gedacht und habt ihr entsprechende Freigaben bei der Ersteinrichtung angegeben, seht ihr das Spiel nicht einmal in der Liste.

Kurzum: Es fehlen Demos, F2P-Spiele und generell kostenlose Apps, mit denen ihr sofort loslegen könnt. Ich hoffe sehr, dass sich das schnellstmöglich ändert. Ich habe mir dennoch ein paar interessante Kandidaten zugelegt, darunter das witzige „Ski Safari“,  das pixelige „The Other Brothers“ und noch ein paar andere. Etliche der auf der offiziellen Webseite angegebenen Spiele gibt’s gegenwärtig noch nicht.

Spielen und…

Nicht schön, aber er liegt besser in der Hand, als man annimmt - der Controller. (Foto: GamingGadgets.de)
Nicht schön, aber er liegt besser in der Hand, als man annimmt – der Controller. (Foto: GamingGadgets.de)

Auf den Fotos sieht der GameStick-Controller, der übrigens auf der Oberseite einen Slot besitzt, in dem man den HDMI-Stick verstauen kann, nicht schön aus. Von Ergonomie kann nicht die Rede sein, mich erinnert das Teil etwas an das eckige NES-Pad. Trotzdem: Die Bedienung der zwei Analogsticks, der Schultertasten und der eigentlichen Buttons klappt erstaunlich gut, wirklich unbequem liegt der Controller auch nach ein paar Stunden nicht in der Hand. Löblich ist, dass alle von mir getesteten Spiele optimal auf das Gamepad ausgelegt sind, ihr also nicht bemerkt, dass es sich hier um modifizierte Android-Apps handelt. Ja, der GameStick fühlt sich viel mehr wie eine Spielkonsole an, nicht so wie die Ouya mit ihrer hingeklatschten Oberfläche, mies angepassten Spielen und Menüs, die regelrecht nach Android riechen. Das Gebotene ist weitgehend sauber, Verbindungsprobleme zwischen Stick und Controller konnte ich nicht feststellen und die Übersicht ist immer gegeben. Das passt.

…Multimedia!

Sehr praktisch finde ich den ToFu-Player, den ihr euch gratis laden könnt. Das ist eine modifizierte Version des bewährten XBMC, der es euch leicht macht, beispielsweise auf die ARD- oder ZDF- Mediathek zuzugreifen. Unzählige (legale!) Streaming-Angebote und Anbindungen an Facebook- oder flickr-Bildergalerien bringt die unscheinbare Software mit, alternativ schaut ihr euch eigene Videos oder Bilder an. Das funktioniert am einfachsten über eine microSD-Speicherkarte, die ihr in den GameStick steckt. Eine nicht minder schlechte Player-Software hat PlayJam ferner im Angebot – ebenfalls gratis.

An die Grenzen

Bei der alltäglichen Verwendung des GameStick bemerkt ihr hier und da die Grenzen des verbauten Hardware. Beispielsweise dauert das Beenden eines Spiels und das Zurückkehren zum Hauptmenü nach dem Betätigen des dazugehörigen, riesigen Buttons auf dem Controller einige Sekunden. Nach dem Download eines Spiels muss dieses einmalig installiert werden. Das dauert geschätzte eine Sekunde pro Megabyte. Konkret: Ich habe über zwei Minuten gewartet, bis ich „Shadowgun“ starten konnte. Und gerade dieser auf hochwertige Optik ausgelegte Titel ruckelt doch stellenweise sehr stark. Spätestens hier wird deutlich: Der ARM Cortex-A9-Singlecore-Chip mit seiner MALI 400-GPU, den 8GB Flash-Speicher und dem 1GB RAM ist nicht mehr ganz auf der Höhe der Zeit. Perspektivisch dürften zwar viele Spiele auch in 720p oder 1080p auf dem GameStick funktionieren, Grafikperlen sollte hier jedoch niemand mehr erwarten. Diese bleiben dann den aktuellen Quadcore-Tablets vorbehalten. Und mal ehrlich: Am Schluss reden wir hier über Hardware, die heutzutage in Einsteiger-Smartphones in einer ähnlichen Preisklasse verkauft werden.

Nicht ganz auf der Höhe der Zeit. (Foto: GameStick.tv)
Nicht ganz auf der Höhe der Zeit. (Foto: GameStick.tv)

Das alles sehe ich nicht als Problem, wenn es PlayJam schafft, für kontinuierlichen Spielenachschub zu sorgen. Exklusiv-Entwicklungen können nicht schaden, die würde ich aber nicht als zwingende Voraussetzung sehen. Wichtiger sind auf die Eigenheiten des GameStick ausgelegte Spiele mit richtiger Gamepad-Anpassung, vielleicht mehr kind- und familien-gerechte Software sowie das Achten auf eine insgesamt gute Qualität – von der Benutzeroberfläche bis hin zu den angebotenen Games. Der Mini-Stick unterstützt bis zu vier Bluetooth-Controller, hier könnte ich mir auch gut Multiplayer-Entertainment vorstellen. In den nächsten Wochen und Monaten erhoffe ich mir noch etwas Feintunung: Hier und da fehlen ein paar deutsche Übersetzungen, das Angucken von Vorschau-Videos dauert etwas zu lange und eine Sortierung der Spiele nach Genre ist bei der mickrigen Auswahl noch nicht möglich/nötig. Wie auch immer: Die genannten Kritikpunkte, die sich nicht auf die begrenzte Leistungsfähigkeit beziehen, sind mehr Erbsenzählerei als echte Probleme. Das sah bei der Ouya ganz anders aus! Und auch nach Monaten hat es der Mitbewerber trotz unzähliger Updates nicht hinbekommen, mich irgendwie zufrieden zu stellen. Immerhin gibt es dort Emulatoren und alle Spiele dürfen gratis angetestet werden, aber ganz ehrlich: Das macht für mich kein rundum gutes Konzept aus.

Fazit: Eine runde Sache mit Potential

Zwar mehr eckig, aber eine runde Sache geworden. (Foto: GamingGadgets.de)
Zwar mehr eckig, aber eine runde Sache geworden. (Foto: GamingGadgets.de)

GameStick?! Puh, wie langweilig! Noch eine Android-Konsole! Wer braucht so eine denn? Die Antwort: Wie wäre es mit euch? Mich gefällt der HDMI-Stick mit dem klobigen Controller. Denn trotz der etwas verwirrenden Stromzufuhr hinterlässt die gesamte Konsole einen wertigen, professionellen, wohl überlegten Eindruck. Der wird durch das Interface und die intuitive Bedienung noch verstärkt. Dass PlayJam sichtlich bemüht ist, gut angepasste Spiele ins Sortiment aufzunehmen, begrüße ich ebenfalls – Klasse statt Masse ist sichtlich die Devise. Mit der simplen Kontrolle und dem Elternschutz durch Inhalts-Filter richtet sich der GameStick auch an Familien und Gelegenheitsspieler – und die erhalten ein gutes Produkt. Klar, ein paar kleinere Fehler könnten noch ausgemerzt und der Benutzerkomfort speziell beim Tippen auf dem virtuellen Keyboard (z.B. das Passwort vor dem Bezahlen eingeben) erhöht werden, alles in allem sehe ich hier aber eine Android-Konsole, die nicht viel falsch macht. Wenn es PlayJam schafft, das Gerät am Markt zu positionieren und fortlaufend für neue Spiele zu sorgen, könnte der GameStick seine Fans finden. Ich bin jedenfalls sehr gespannt, wo das Teil in sechs Monaten steht – bei Discounter für 49 Euro, bei Saturn zum ursprünglichen Preis oder bei Ebay als komische Rarität? Bis dahin werde ich wohl häufiger mal an der Kiste sitzen und schauen, was es so Neues gibt.

Ab dem 29. Oktober 2013 ist der GameStick unter anderem über die offizielle Webseite erhältlich. Zubehör wie separate Controller (zirka 40 Euro) und eine Dockingsstation für Speicherkarten bis 64GB und weitere USB-Anschlüsse liegt bei 50 Euro.

7 Kommentare
  1. Tobi sagt

    Den GameStick fand ich zur Ankündigung schon sehr interessant. Was mich als „Old-School-Gamer“ immer stört, dass die Konsolen ohne Internetverbindung irgendwie gar nicht mehr nutzbar sind.

    Ich habe kein Wlan, könnte ich den GameStick dann also überhaupt nicht benutzen?

    1. Sven sagt

      Du könntest dein Mobiltelefon als Hotspot benutzen – dann hast du zumindest Zugang zum Internet und damit auch zu deinen bereits gekauften, geladenen Spielen. Ich wollte das noch einmal prüfen was passiert, wenn das WLAN dauerhaft wegfällt. Beim ersten Versuch klappte das nicht.

      Alternative wäre noch die Dockungstation für 50 Euro. Die hat noch nen Ethernet-Anschluss, wenn es kein WLAN gibt. Aber auch da braucht man halt Internet. :)

      1. Tobi sagt

        Internet ist ja kein Problem, nur Wlan nicht und mein Handy kann SMS empfangen :D

        Allerdings sind 50 Euro dann natürlich wieder recht kostspielig. Mit der Dockingstation könnte ich aber, verkabelt, den GameStick (komplett ohne Wlan) nutzen?

        1. Sven sagt

          Ja, genau das ginge. Und du hättest noch die Möglichkeit, USB-Geräte dranzuhängen und so. Nur so gäbe es halt den Ethernet-Anschluss, am Stick selbst wird’s schwierig. :)

          Ein Handy mit SMS? Oh…das ist krass. :D

        2. Tobi sagt

          Bei der Spieleauswahl würde sich ja dann eine Ouya viel mehr lohnen, die ja bald auch auf Amazon.de erhältlich sein soll…
          Ouya hat ja direkt ’nen Ethernet-Anschluss dabei. Sprich hier könnte ich auch ohne Wlan glücklich werden?

          Wie sieht das eigentlich mit dem Bezahlen der Spiele aus, Kreditkarte immer erforderlich (beide Konsolen)?

          …und Danke :P

        3. Sven sagt

          Ja, genau. Ouya hat einen Ethernet-Anschluss. Das ginge. Ich selbst finde ja den GameStick konzeptionell viel runder und vor allem sauberer als Ouya. Ouya hat einen miesen Controller (angeblich sollen die neuen Geräte einen bessern dabei haben), aber das ist auch Geschmacksache. Vorteil bei Ouya: Emulatoren ohne Ende, wenn man mag.

          Bei beiden zahlste mit Kreditkarte, genau. GameStick hat Support für Vourcher-Codes, ob da welche verkauft werden, weiß ich allerdings nicht. Das System ist darauf jedoch vorbereitet. Da wird sicher was kommen. Wie gesagt: GameStick hinterlässt einen intelligenten, gut überlegten Eindruck. Ouya ist so dahingeschludert. Dafür kannst du eben alle Spiele gratis ausprobieren…und technisch ist Ouya auch dank Tegra 3 flotter. Wenn es nicht eilt – nächstes Jahr soll ja der Ouya-Nachfolger kommen. :)

  2. […] zum GameStick gibt es unter http://www.gamestick.tv einen erstes Praxistest bei unserem Partner GamingGadgets.de. Sobald ich die Möglichkeit, ohne Kreditkarte, habe, die Konsole zu ergattern, gibt es auch hier […]

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