GameStop
GameStop möchte jetzt auch klassische Konsolen und Retro-Games verkaufen. Ich denke: clever! Denn die Händler-Kette muss sich neu positionieren, um künftig noch von Relevanz zu sein.
Ab dem 25. April 2015 kaufen die GameStop-Filialen in New York City und Birmingham erstmals Retro-Konsolen sowie Zubehör und passende Spiele an. NES, SNES, MegaDrive, PlayStation, N64 und Dreamcast werden zu Beginn angenommen, über 5000 entsprechende Produkte befinden sich im Ankaufkatalog des Spielehändlers. Sollte das Interesse in den zwei Geschäften groß ausfallen, wird der neue Handel mit den alten Dingen in sämtliche Filialen in den USA ausgeweitet. Und es ist sicher klar: Auch Europa könnte perspektivisch folgen.
Letztlich erweitert GameStop das hauseigene Trade-In-Programm, durch das ihr seit jeher alte Games und Konsolen abgebt, euch der Verkäufer im Geschäft ein Angebot unterbreitet, das euch als Guthaben für einen Neuerwerb ausgezahlt wird (oder 80 Prozent direkt in Bar). Dennoch steckt noch ein wenig mehr dahinter, denn GameStop muss reagieren. Auf den sich verändernden Markt.
Digital ist schlechter
Der Einzelhandel jammert seit Jahren – und es wird nicht besser. Gerade Spiele werden zunehmend digital erworben, vor allem PC-Spiele. Dank Online-Freischaltung ist ein Weiterverkauf nicht möglich, das profitable Second-Hand-Geschäft mit hohen Margen verliert an Bedeutung. Wie also entgegen wirken? Wie wäre es mit Spielen, bei denen DLCs, Online-Zwang und Downloads noch keine Rolle spielten? Weg von den leeren Packungen, in denen sich bald vermutlich eh nur noch Download-Codes befinden werden, hin (bzw. zurück) zu haptischen Produkten.
Bereits seit dem März 2015 akzeptiert GameStop in den USA wieder PS2-Konsolen und Spiele, hierzulande nach wie vor. Doch das alleine ist nicht ertragreich genug – zumindest nicht perspektivisch. Daher…
Retro ist trendy
Mal ehrlich: Gerade ältere Semester trauen der „guten, alten Zeit“ hinterher. Früher war alles besser. Spiele erhielten liebevolle Handbücher, schicke Verpackungen aus Pappe und wurden auf Modul ausgeliefert. Im Jahr 2015 fehlt die Leidenschaft, sogar viele Sammler-Editionen machen nichts mehr her und werben mit wertlosen Download-Belohnungen. Lahm. Dagegen sieht ein „Super Mario Bros. 3” in OVP noch verdammt schön aus und weckt im besten Fall Erinnerungen an die Kindheit. Die Gefühle, die alte Spiele wecken, kann GameStop nutzen: Jäger und Sammler zahlen teils „Mondpreise“ für ein paar vermeintliche Raritäten. Ein „Snowboard Kids 2“ für das N64 bekommt ihr in der Regel nicht für unter 250 Euro. Und ich bin glücklich darüber, dass sich in meiner Sammlung ein „Shining Force 3“ für SEGA Saturn oder ein „Grandia 2“ für die Dreamcast befindet. Manche meiner Perlen sind mehr, manche weniger wert. Generell dürfte die Begeisterung für Retro-Spiele bei vielen Menschen so groß sein, dass sie durchaus bereit sind, höhere Preise zu investieren, als für neue Games für aktuelle Konsolen oder PC. Und: An Wert verlieren sie in der Regel nicht mehr. Ganz im Gegenteil. Es könnte sogar ein Anlageobjekt sein.
Und auch hier hätten wir wieder die potentiell gewaltigen Margen: Leute, die auf dem Dachboden ihre alte NES-Sammlung finden und diese schnell gegen eine PlayStation 4 eintauschen wollen, schenken GameStop vielleicht deutlich mehr Geld, als sie glauben. Ich war zum Beispiel selbst überrascht, wie teuer ein „Hammerin‘ Harry“ für das NES mittlerweile ist. Wer das nicht weiß, würde es sicher für drei, vier Euro abgeben. So viel zahlte ich übrigens auf einem Trödelmarkt vor ein paar Jahren. Ist ja nur alter Kram – für die einen….
Kurz: Das Interesse fürs Sammeln legendärer Spiele ist erstaunlich ausgeprägt bei Retro-Liebhabern. Und wer sich für das Entertainment früherer Tage nicht begeistern kann, der verschleudert seine alten Raritäten vielleicht so bei GameStop. Perfekt. Für den Händler, versteht sich.
Neue Zielgruppen erschließen
Wer besitzt normalerweise genügend Geld für Luxus wie Spiele? Derjenige, der einer geregelten Tätigkeit nachgeht und entsprechend verdient. Wenn ihr häufiger mal in einem GameStop eures Vertrauens vorbeischaut, seht ihr es ja selbst: Kiddies wollen Spiele eintauschen und günstig kaufen. Mit einem Ankauf von Retro-Spielen könnte sich die Klientel in den Filialen ändern. Kaufwillige Nostalgiker, vielleicht schon über 30 Jahre alt, suchen nach Seltenheiten für ihre Sammlung. Das ist sicherlich ein interessanter Ansatz, eben weil solch eine Kundschaft mehr schnöden Mammon besitzt, als ein Teenager oder Student. Dass man mit einem solchen Konzept den nerdigen, lokalen Spieleläden den Todesstoß versetzt – für GameStop sicherlich nicht tragisch.
Retro-Spiele bringen eine Zielgruppe in die Läden, die eine andere Einstellung zu Spielen besitzt. Herzblut und Liebe zum Produkt statt reiner Konsumfreude. Im besten Fall, logo.
Mit dem Erfolg anderer Ankäufer schwimmen
Schaut mal, wie viele Firmen heutzutage allein im deutschsprachigen Raum Spiele (und andere Medien) ankaufen. Momox, Rebuy, Zoxs, Regame und eben auch GameStop buhlen um eure Gunst bzw. eure alten Games. Das Portfolio zu erweitern, ist für alle genannten Unternehmen eine Methode, um die Reichweite, den Umsatz und den Gewinn anzukurbeln. Das Trade-In von GameStop auszubauen, dürfte die Einnahmen erhöhen. Und gewissermaßen macht man sich auch unabhängiger von den Spieleherstellern mit ihnen Plänen für den digitalen Vertrieb, bei dem Händler außen vor bleiben könnten. In nicht allzu weit entfernter Zukunft, bei der auch ein Cloudgaming bzw. Streaming von Spieleinhalten von Relevanz sein wird. Nur eben nicht für GameStop und Co., die sich – wie eingangs erwähnt – daher positionieren müssen. Womöglich wird GameStop so zu einem Retro- und Zubehör-Händler. Nur ob das langfristig funktionieren kann? Schließlich steht für jeden Konzern das Wachstum als Ziel im Fokus.
Persönlich begrüße ich die Entscheidung, dass es GameStop immerhin versucht, sein Trade-In vergrößern. Ob es aus der Not heraus und der Angst vor der anstehenden Zukunft ist? Vielleicht aber sieht man hier ein großes Umsatzpotential dank der kauffreundigen, älteren Kundschaft? Vermutlich. In jedem Fall sucht der Händler nach einem neuen Platz und einer Daseinsberechtigung für die kommenden Jahre. Ob’s klappt? Der US-Markt wird es in den kommenden Monaten zeigen. Selbst bin ich da ganz guter Dinge…
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