Lies of P Review: Der ausführliche Test einer SoulsBorne-Veteranin
Am 19. September ist das heißerwartete Pinocchio-SoulsLike von Neowiz Games und Round 8 Studio erschienen und heute habe auch ich endlich meinen ausführlichen Test beenden können. Für jemanden, den alte, düstere Märchen begeistern und für jemanden, der alle SoulsBorne-Titel bis zum Erbrechen gezockt hat, war dies der bisher spannendste Release seit Langem.
Doch ob der knackige Titel rundum Meister Geppetto und seine menschliche Puppe Pinocchio mich am Ende wirklich begeistern konnte, verrate ich euch heute.
Für den Vorgeschmack, auf das was kommt, hier der offizielle Trailer:
Erfrischend einfache Story
Damit ist nicht etwa gemeint, dass die Story keine Tiefe hat oder keinerlei Komplexität aufweist. Vielmehr möchte ich mit diesem Zwischentitel auf die Einfachheit der Erzählweise aufmerksam machen. SoulsBorne-Fans kennen das Dilemma: selbst wenn man jede Item-Beschreibung liest und jeden NPC-Dialog bis zum Geht-Nicht-Mehr durchkaut, ist am Ende noch lange nicht garantiert, dass man wirklich verstanden hat, was man eigentlich all die Stunden erlebt hat.
SoulsBorne-Spiele erwarten in der Regel mehr Eigeninterpretation vom Spieler, was für einen Fan der Spiele, wie mich, zwar eine großartige Sache ist, da ich Mysterien und Geheimnisse liebe und immer wieder gerne im Nachgang das Netz durchforsche, nach den vielen unterschiedlichen Sichtweisen von anderen Spielern. Massentauglich ist diese Erzählweise aber natürlich nicht.
Genau da gibt es bei Lies of P auch schon die größte Abweichung zu den namhaften Vorbildern. Statt die Geschichte der mutigen Puppe kryptisch zu erzählen, bekommen hier wir nicht nur klare Ansagen von den NPC’s. Zusätzlich bekommen wir auch regelmäßig klärende Cutscenes und eindeutige Notizen zu Gesicht, die nicht nur die Geschichte rundum Pinocchio, sondern auch die Geschichte der Welt erfrischend einfach übermitteln.
Diese Abweichung, hat mich, trotz meiner Liebe zu den Vorbildern, überhaupt nicht gestört. Stattdessen habe ich es einfach mal genossen, dass ich den Fokus dadurch noch mehr auf die Kämpfe legen kann und mein Kopf frei bleibt, wenn es um wage und irrwitzige Vermutungen, im Bezug auf die Story, geht.
Die Story fühlt sich zudem sehr rund an. Alle verschiedenen, wichtigen Komponenten wie der Krieg zwischen Puppen und Menschen, die Beziehung zwischen Geppetto und Pinocchio, die furchtbaren Ausmaße einer sogenannten „Versteinerungskrankheit“ und der Werdegang von Pinocchio, der, je nachdem, wie man spielt, immer menschlicher wird, bilden hier eine wunderbar in sich geschlossene Einheit, mit vielen spannenden und interessanten Momenten.
Viel Nähe zum Original-Märchen
Neben den erzählerischen Freiheiten, die sich Neowiz erlaubt hat, besteht die Hauptinspirationsquelle übrigens aus der Original-Pinocchio-Erzählung aus dem Jahre 1883 von Carlo Collodi. Mit der verharmlosten Disney-Version hat der SoulsLike-Pinocchio dann zum Glück doch weniger zutun, wenn auch dem Ein oder Anderen gewisse Referenzen bekannt vorkommen werden, was aber vor allem daran liegt, dass es gewisse Momente sowohl in der Original-Erzählung, als auch in der Disney-Verfilmung gegeben hat.
Die Vertonung der Charaktere (leider nicht auf deutsch) ist außerdem richtig richtig gut, was ebenfalls zum leicht verständlichen Storytelling beiträgt.
Das Einzige, an dem es für mich hier gemangelt hat, sind Charaktere, mit denen man richtig mitfühlen kann oder generell etwas mehr emotionale Tiefe, was die Geschichte und Erzählung anbelangt. Wenn man bedenkt, dass es Dark Souls sogar geschafft hat, dass einem ein ulkiger Zweibelritter extrem ans Herz wächst und das auch ohne viele Erklärungen, dann merkt man doch wieder, dass ein SoulsLike eben doch irgendwie niemals ganz an die FromSoftware-Originale herankommen kann.
Und das, überraschenderweise, trotz eines toll inszenierten Meister Geppettos und einem sympathischen Jiminiy Grille (Gemini Cricket), welcher uns durch das ganze Spiel begleitet und uns mit Rat und Tat zur Seite steht.
Ein düsterer Grafik-Traum mit einem kleinen „Aber“
Wenn man die düstere Welt von Krat das erste Mal betritt, kann man nicht anders, als Staunen. Auf den ersten Blick stimmt einfach alles: Geniale Licht- und Wetter-Effekte, eine beklemmende, düstere Steampunk-Welt mit interessanten, neuen Gegnertypen, die man so noch nicht gesehen hat und wunderbare, kleine Details und Easter Eggs, die man oft nur dann so wirklich wahrnimmt, wenn man sich die Zeit nimmt, genauer hinzuschauen.
Jedoch, wenn man genauer hinschaut und vor allem das erste „geflasht“ sein vorüberziehen lässt, fällt leider auch noch etwas anderes auf: Nicht jeder Ort, den man bereist, wurde von den Entwicklern mit der gleichen Liebe behandelt und mit ähnlich vielen Details versorgt. Desto tiefer man im Spiel voranschreitet, desto leerer fühlen sich die Schauplätze, meiner Empfindung nach, an. Auch wiederholen sich die anfangs noch so interessanten Gegner plötzlich nur noch oder neue Gegner zeigen nur leichte Unterschiede zu den in den vorherigen Gebieten auf.
Besonders enttäuscht war ich teilweise auch vom Boss-Design. Während der Tutorial-Boss optisch noch extrem beeindrucken konnte, wurde es danach gefühlt, immer liebloser. Zwar gibt es auch im späteren Verlauf noch einige richtige Kracher-Boss-Designs, aber die meisten konnten mich optisch nicht wirklich vom Hocker hauen.
Herausragend empfand ich dafür jedoch das Sound-Design und die vielen genialen Soundtracks. Manche Titel kann man sogar im Spiel, in Form von Schallplatten finden, die man sich dann im Hub anhören kann. Dafür wird man sogar jedes Mal belohnt.
Fantastisches Gameplay, mit einer Menge unbekannter, neuer Elemente
Während die Grafik mich zwar nicht konstant beeindrucken konnte, singt Lies of P mit seinem Gameplay schon wieder ganz andere Lieder. Ich war extrem überrascht davon, wie toll Neowiz das SoulsBorne-Feeling in Lies of P implementieren und dennoch gleichzeitig auch so viel Neues einbringen konnte, ohne dass die neuen Elemente gestört hätten.
Ganz im Gegenteil! Pinocchio kann nicht nur ganze 40 verschiedene, toll designte Waffentypen, mit unterschiedlichen Move-Sets führen, die wir so definitiv nicht aus den SoulsBorne-Titeln kennen, er verfügt außerdem über einen praktischen, modifizierbaren Arm. In diesen kann man hilfreiche Gadgets einbauen, die einen im Kampf unterstützen. So kann der spezielle linke Arm (Legion Arm) unter anderem Gegner an Pinocchio heranziehen oder starke Elementarattacken ausführen und vieles mehr.
Die große Varianz an Waffen und Spezialfähigkeiten sorgen dafür, dass die Kämpfe niemals langweilig werden (es sei denn, man ist von den vielen, viel zu ähnlichen Monstertypen genervt).
Was mir auch sehr gut gefallen hat, ist das die Boss-Gegner, nein sogar ganze Gebiete unterschiedliche Taktiken erfordern. In manchen Gebieten ist man zum Beispiel der absolute Überflieger, wenn man eine Waffe mit Feuerschaden verwendet, während Feuerschaden in anderen Gebieten so gut wie gar keine Wirkung zeigt. Diese Mechanik sorgt dafür, dass der Spieler oftmals gezwungen ist, seine momentane Lieblingswaffe in einem anderen Gebiet noch einmal zu überdenken und eine andere Spielweise auszuprobieren. Auch hierdurch wird die gewisse Abwechslung stets garantiert.
Für Abwechslung sorgen außerdem die vielen spannenden Nebenquests. Diese reichen von interessanten NPC-Kurzgeschichten, bis hin zu kleinen Rätseln und Schnitzeljagden, die ein gewisses Backtracking erfordern.
Ist dieses SoulsLike zu schwer?
Ich kann übrigens die Beschwerden darüber, dass das Spiel zu Release zu schwer gewesen sein soll, nicht wirklich verstehen. Mir kam es eigentlich nicht mehr und nicht weniger knackig vor, als mein erstes Bloodborne Playthrough. Vielleicht kamen die Beschwerden besonders daher, dass sich mehr Casual-Gamer an Lies of P getraut haben oder weil viele Spieler vielleicht nicht gleich die taktischen Möglichkeiten erkannt haben, die sie zu ihrem Vorteil nutzen können. Für mich bleibt der Grund für das letzte Update, dass das Spiel vereinfacht hat, jedenfalls ein Rätsel.
Das, was das Spiel manchmal wirklich etwas schwerer macht, als es sein sollte, sind die teilweise doch sehr abstrusen Hitboxen. An diesen wurde mit dem Update allerdings nicht gefeilt.
Was mich außerdem ein wenig überfordert hat, ist die Möglichkeit, Waffen auseinanderzubauen und mit anderen Waffenteilen wieder zusammensetzen zu können. Nur selten hat sich mir daraus der Vorteil erschlossen und das Ganze war mir persönlich etwas zu anstrengend, um mich damit zu sehr zu beschäftigen.
Was mir wiederum sehr gut gefallen hat, ist der neu-implementierte Skill-Tree. Neben den typischen Skills, wie Ausdauer, Leben usw. kann man Pinnochio nämlich noch weitere Fähigkeiten, wie das Dashen direkt nach einem Sturz beibringen oder dafür sorgen, dass eine wichtige Leiste beim Gegner länger anhält, die einem erlaubt, einen extrem starken Treffer zu landen.
Lügen bis der Arzt kommt
Ein letztes Gameplay-Element, dass ich hier noch aufgreifen möchte, ist die Entscheidungsfreiheit, ob man auf bestimmte Dialoge mit einer Lüge oder mit der Wahrheit reagiert. Je nachdem, was man tut, kann das nicht nur für einen anderen Ausgang in diesem Moment sorgen, sondern auch andere Ereignisse, später im Spiel beeinflussen.
So kann euch beispielsweise jemand feindlich gesinnt sein, wenn er die Mechanik in eurem Körper hören kann. Andere wiederum sind euch nur dann feindlich gesinnt, wenn ihr, in ihren Augen, zu menschlich geworden seid. Man kann zudem drei verschiedene Enden freischalten, je nachdem, ob man eine ehrliche Haut ist oder ob man sich eine lange Nase wachsen lässt (Nicht wortwörtlich).
Übrigens, da ich bisher noch nicht davon gesprochen habe: typische SoulsBorne-Elemente sind natürlich auch mit von der Partie, wie es sich für ein ordentliches SoulsLike gehört. So haben wir zum Beispiel die Einheit „Ergo“, die von toten Gegnern fallengelassen wird oder als item gefunden werden kann, ähnlich wie die „Seelen“ in Dark Souls, womit man schlussendlich Aufleveln und neues Equipment kaufen kann.
Auch gibt es in diesem Spiel das typische Pendant zum „Bonfire“ mit dem Namen „Stargazer“ sowie die Funktion, darüber in die verschiedenen Gebiete zu reisen. Leveln kann man bei Lies of P, ähnlich wie in Dark Souls 3 oder Bloodborne, allerdings nur im Hub. Um nur mal ein paar von vielen Parallelen zu nennen. Wobei ich die Ladezeiten für die Reise zum Hub, hier als etwas zu lang empfinde.
Über die Performance kann ich mich, abseits der langen Ladezeiten, übrigens nicht beschweren. Ich habe die PC-Version in voller Auflösung und mit aktiviertem HDR getestet und nur sehr selten mal einen leichten Ruckler bemerkt.
Fazit
Lies of P ist ein absolut würdiger SoulsBorne-Nachahmer und kann mit dem Vorbild überraschend gut konkurrieren. Teilweise hatte ich sogar das Gefühl, dass der Titel genauso gut auch im Hause FromSoftware selbst hätte entstanden sein können.
Was Lies of P zu etwas ganz Besonderem macht, ist aber nicht nur die Tatsache, dass es die bekannten SoulsLike-Mechaniken nahezu perfekt implementiert hat, sondern vor allem auch, dass es sich so viel Neues getraut hat und damit auch meistens ins Schwarze treffen konnte.
Zusätzlich dürfen wir das uralte Märchen über Meister Geppettos Holzpuppe, Pinochio, noch einmal ganz neu erleben und das, genauso schön düster, wie im Original, mit einigen kreativen Freiheiten, die einfach funktionieren.
Lies of P zeigt allerdings auch hier und da ein paar Makel. Während es mit seinem enorm abwechslungsreichen Gameplay glänzen kann, merkt man schon nach einigen Stunden Spielzeit, dass dem Entwicklerteam beim kreieren der Gegner und auch beim Setting wohl die Liebe zum Detail oder auch einfach die Zeit ausgegangen ist.
Lies of P kann also leider nicht die vollen 10 Punkte von mir erhalten, dafür aber eine solide 8,5/10. Ich denke außerdem, dass der Titel ein Muss für alle Bloodborne-Fans ist.
- Lies of P ist am 19. September 2023 für PC, PS5, PS4, Xbox One und Xbox Series erscheinen. Dieses geniale SoulsLike ist außerdem im Xbox Game Pass enthalten.
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