LVL UP: Wohin geht die Reise mit Virtual Reality? Ein Event-Bericht!

Ich konnte nicht ablehnen, als ich zu einem Plausch über Virtual Reality nach Hamburg eingeladen wurde. Endlich mal die Hansestadt sehen – es wurde höchste Zeit. Aber auch LVL UP war ein angenehmer Abend rund um das Trendthema VR.

Ein wenig erschrocken war ich über die Locations schon. Denn diese befand sich ein paar Kilometer vom Hamburger Hauptbahnhof entfernt – irgendwo in einem abgefuckten Industriegebiet. Eingeladen hatten der Händler 7mobile und die lieben Kollegen von VR-Nerds, die gerade damit beschäftigt sind, ihre Leidenschaft zum Beruf zu machen – unter anderem mit ihrem ShoVRoom,  In ansprechender Atmosphäre kamen rund 25 Leute zusammen, die mehr über Virtual Reality, die Zukunft und die notwendigen Technologien erfahren wollten. In den Räumen eines kleinen Bürogebäudes fühlte man sich dann doch wohl, jede Menge zum Mampfen und Trinken (natürlich Fritz Cola und irgendwelches Bier) wartete auf die Gäste. Oculus Rift-Devices und ein komplett aufgebautes HTC Vive mitsamt aufwändiger Lüfter-Apparatur für das perfekte Immersion-Gefühl wollten ausprobiert werden.

Außen ein gruseliges Gebäude, innen angenehm chillig. (Foto: 7mobile)
Außen ein gruseliges Gebäude, innen angenehm chillig. (Foto: 7mobile)

Ein paar Sprecher

Moderiert wurde der Abend von Uke Bosse mit seinem markanten Bart. Einigen dürfte er vielleicht noch von MTV Game One oder Reload bekannt sein. Der eine oder andere seiner Sprüche war vielleicht etwas plump, aber ich spürte schon sein großes Interesse an VR. Als erster Sprecher kam VR-Nerds-Mitbegründer Christoph Spinger zu Wort, der erklärte,wieso Virtual Reality einen sozialen Mehrwert besitzt. So kämen Menschen weltweit näher zusammen, Barrieren und Vorurteile könnten weiter abgebaut werden. Persönlich konnte ich nicht in allen Bereichen zustimmen, hierfür gab er sich dann generell etwas zu optimistisch mit seinen Zukunftsvisionen. Dennoch: Die soziale Komponente könnte für VR tatsächlich eine Bereicherung darstellen, allerdings möchte zumindest ich kein „Second Life VR“ spielen oder mit wildfremden Leuten in fiktiven Kinos sitzen.

Moderator und Sprecher. (Foto: GamingGadgets.de)
Moderator und Sprecher. (Foto: GamingGadgets.de)

Als nächstes sprachen Oliver Rößling und sein Kompanion Rüdiger Höfert von Opus VR. Unsicherheit mit einem unsympathischen Auftreten zu kaschieren, ist niemals eine gute Idee. Doch das Duo servierte mir zumindest einen interessanten Standpunkt: VR-Brillen und VR-Games sind nach wie vor und auch in naher Zukunft ein „Nerd-Ding“, sodass Spiele- und Hardware- Hersteller noch einige Zeit benötigen, um Geld verdienen zu können. Im Business-to-Business (B2B)-Segment sieht es teils deutlich besser aus: VR ist längst bei Profi-Anwendungen in Medizin und Automobilität angekommen. Opus VR besitzt ebenfalls ein solches Produkt: Mit begehbaren Häusern, die noch lange nicht gebaut wurden, will man potentiellen Käufern einen Eindruck vermitteln, wie ihr neues Zuhause aussehen könnte. Eine reizvolle Angelegenheit, sofern Bauträger und potentielle Häuslebauer für diese Dienstleistung überhaupt zahlen wollen. Generell verfügt VR über zahllose Anwendungenmöglichkeiten in der Industrie. Und Konzerne sind eher bereit, für moderne Konzepte, die letztlich den Verkauf ankurbeln sollen, zu zahlen. Das mag dann aus Spielersicht zwar sehr speziell sein, ist aber für die Beteiligten ertragreich. Bei VR für Hardcore-Gamer muss erst einmal eine kritische Masse erreicht werden, um für Spieleentwickler attraktiv zu werden. Oder anders gesagt: Ohne eine ausreichende Verbreitung an VR-Brillen kann und wird sich der neue Bereich nicht durchsetzen. Aber dafür braucht es eigentlich gute Software. Ein Dilemma.

Kleiner Diskussionsabend. (Foto: 7mobile)
Kleiner Diskussionsabend. (Foto: 7mobile)

Oder doch Augmented Reality?

Der Designer und Gamewheel-CEO Evgeni Kouris brachte weitere Aspekte in den Abend. Da ist ja noch der Sektor Augmented Reality, der durch einen kreativen Einsatz womöglich sogar viel mehr Potential für den Massenmarkt besitzt als VR. Selbst arbeiten Evgeni und sein Team neben einer Rennspiel-App mit AR-Elementen an einer Plattform, mit der man sich künftig eigene AR-Spiele und Dienstleistungen wie in einem Baukasten bastelt. Das fand ich faszinierend, da mir für AR aktuell mehr „Spielereien“ einfallen, als für VR-Spiele, die sich inhaltlich nach der Entdeckungs- und Erlebnisphase recht schnell erschöpfen könnten.

Nur was für Nerds? (Foto: GamingGadgets.de)
Nur was für Nerds? (Foto: GamingGadgets.de)

Nach einer kleinen Pause folgte eine Panel Diskussion, die ich nicht sonderlich erbaulich fand. Letztlich vertraten die Sprecher noch einmal ihre Meinung, das Publikum wiederum durfte nur zwei, drei Fragen stellen. Ich hatte mir mehr Interaktion mit den aufgeschlossenen Zuhörern gewünscht. Aber da war noch der überraschend kritische Christian Bittler, ebenfalls von Gamewheel und Mitstreiter von Evgeni Kouris. Er wirkte fast wie ein Gegenpol zu den sonst euphorischen VR-Stimmen der Gäste. Ich muss gestehen, dass ich mein längeres Gespräch mit ihm nach der Panel Diskussion doch als inspirierend empfand. Der gute Mann ist mit seinen 50 Jahren und seinen Erfahrungen als Entwickler ein Urgestein, er war bei zig Studios tätig und bereits in den 1990ern Feuer und Flamme für die damaligen VR-Experimente der Hersteller (Nintendo, Sega, etc.). Christian Bittler glaubt nicht so recht an den Durchbruch von VR, trotz gravierend besserer Technik und deutlich mehr Flexibilität als noch vor 20 Jahren. Es mangele an ausreichend starken Ideen und Geld für Blockbuster-Produktionen. Die müssen schließlich finanziert werden. Zwar schwang bei jedem Wort ein ziemlich pessimistisch angehauchter Realismus mit, aber machen wir uns nichts vor: VR ist vielleicht aufregend, faszinierend, packend – doch man sollte dringend hinterfragen, ob und inwiefern aus dem Hype ein Trend und im besten Fall ein fester Bestandteil der Entertainment-Industrie werden kann. Es ist schwierig, dies jetzt schon abzuschätzen. Sony (PlayStation VR), Samsung (Gear VR), HTC, Valve (HTC Vive), Facebook (Oculus Rift) und Microsoft (Hololens) besitzen zweifelsohne ausreichende Geldmittel, nur diese sind nicht gleichzusetzen mit einem Erfolg von VR.

HTC Vive komplett aufgebaut. (Foto: GamingGadgets.de)
HTC Vive komplett aufgebaut. (Foto: GamingGadgets.de)

Und nun?

Nach gut sechs Stunden verließ ich etwas zwiegespalten die zweite LVL UP-Veranstaltung – und das gar nicht mal, weil das Event relativ klein ausfiel. Das störte mich in keiner Weise, ganz im Gegenteil. Nette Leute, stimmiges Ambiente, Sprecher, die etwas zu sagen hatten. Trotzdem häuften sich die Fragezeichen im Kopf. Wohin geht die Reise bei VR? Die gerade etwas jüngeren Nerds und Gamer scheinen total begeistert von virtueller Realität zu sein. Sie möchten alles unbedingt ausprobieren und freuen sich auf frische Spielkonzepte und Einsatzmöglichkeiten. Aber zugleich steht da die viel zu selten ausgesprochene Skepsis im Raum. Was, wenn sich nach einigen Spielen und vielleicht ein paar AAA-Produktionen plötzlich herausstellt, dass VR schneller an seine eigenen Grenzen stößt? Vielleicht ist die Technik nach wie vor nicht ausgereift für das optimale Erlebnis? Könnte VR das gleiche Schicksal ereilen wie Bewegungssteuerung oder gar 3D? Es ist ja nicht so, dass wir nach all den Jahren noch das dringende Gefühl verspüren, Kinect und Wiimote unbedingt benutzen zu wollen. Besteht die Wahrscheinlichkeit, dass Augmented Reality mehr Potential für Alltag und Gaming (Stichwort HoloLens) besitzt oder die Leute höchstens Billig-Lösungen wie Cardboard akzeptieren würden? Bei der Papp-Brille, die man in den Händen hält, ist die Angst vor Kontrollverlust viel weniger gegeben – ein Phänomen übrigens, das wohl speziell etwas ältere Leute zu betreffen scheint.

Einiges zum Testen war vorhanden. (Foto: GamingGadgets.de)
Einiges zum Testen war vorhanden. (Foto: GamingGadgets.de)

Ihr seht schon: Am Schluss sind da zig Punkte, die meiner Auffassung nach noch geklärt werden müssen. 2016 erfahren wir, wie sich die ersten großen VR-Brillen schlagen und ob sie genügend Akzeptanz erfahren. Denn ohne diese schafft es VR nicht in den Massenmarkt und bleibt – wenn überhaupt – in einer Nische gefangen. Oder verschwindet allmälich wieder. Ich hoffe es ja irgendwie nicht. Eine auf der übrigens 2. LVL UP-Veranstaltung vielfach gestellte Frage, wann VR denn käme oder ob sie schon da wäre, würde ich aus Spielersicht gegenwärtig noch mit einem „Nein“ beantworten. Das dauert noch…

1 Kommentar
  1. […] Idee von VirtualVizor stammt von dem Rechtsanwalt Can Ansay, der mir seine Erfindung auf dem LVL UP-Event vergangene Woche präsentierte. Die Besonderheit der Apparatur ist offensichtlich: Zwei Linsen für […]

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