Nintendo Switch: Ausprobiert! Und noch immer nicht überzeugt…

In etwas über vier Wochen erscheint Nintendos neue Konsole Switch. Auch nach dem ausführlichen Testen der Hard- und Software sprang der Funke bisher nicht über. Woran liegt’s?

Am 24. Januar 2017 lud Nintendo zu einem Event in das Berliner Motorwerk. In der schicken Location wollten die Verantwortlichen keineswegs auf plumpe Weise die Werbetrommel rühren, vielmehr stand das Ausprobieren im Fokus. An den zahllosen Anspielstationen standen motivierte Mitarbeiter, die mit Rat und Tat zur Seite standen, um das Switch-Konzept und die Spiele zu erklären. Kein aufgeregtes „ALLES GEIL“-Gehabe, sondern darauf ausgelegt, dass sich jeder Besucher selbst eine Meinung bilden kann. Das fühlte sich gut an, auch wenn ich es schon albern fand, dass Nintendo Influencer (gähn), Blogger, Youtuber und Journalisten dazu anregen wollte, an einem Gewinnspiel teilzunehmen. Der Preis: eine Switch-Konsole. Nunja.

Spielen, wie ihr wollt

Zur Sache: Ich war vor einigen Tagen bereits sehr skeptisch, nach dem umfangreichen Testen ist das Misstrauen in einiger Hinsicht geblieben. Das ist allerdings gar nicht unbedingt auf das Konzept von Switch bezogen, denn das gefällt mir zunehmend. Die Grundidee ist nicht neu, in dieser Form ist das allerdings eine „runde Sache“. Wechselt jederzeit zwischen mobilem Spaß und stationärer Konsole, verwendet die Haupt-Einheit (also das Tablet) als Bildschirm unterwegs, um mit einem Freund gemeinsam etwas zu zocken. Erlebt große Blockbuster am riesigen HDTV oder in der Bahn auf dem 6,2 Zoll kleinen Touchscreen. Genießt Games wie und wo ihr wollt.

Am HDTV in 1080p, auf dem Touchscreen in 720p. (Foto: Sven Wernicke)
Am HDTV in 1080p, auf dem Touchscreen in 720p. (Foto: Sven Wernicke)

Beim Anfassen und Halten der Switch und der Joy-Con-Controller stellte ich schnell fest: Nintendo achtet auf eine gute Verarbeitung und vermittelt das Gefühl, ein Lifestyle-Produkt in den Händen zu halten. Die Konsole selbst ist erstaunlich klein und handlich, in der Dockingstation fällt sie kaum auf. Somit dürfte sich am Fernseher überall einen Platz finden.

Am meisten überraschten mich die Joy-Con-Controller. Einerseits hinterlassen sie den Eindruck, als wären es geschrumpfte Wiimotes, andererseits steckt da schon etwas mehr Technik drin. Richtig klasse – und das ist nicht übertrieben – fühlt sich die beworbene HD-Vibration an. Bei dieser spürt ihr regelrecht, wenn ihr in der Minispiele-Sammlung „1-2 Switch“ eine Kuh melken müsst oder erraten sollt, wie viele Kugeln sich in einer (virtuellen) Schachtel befinden. Wohl kleine Motoren im Inneren beider Controller-Einheiten suggerieren das Vorhandensein von Eigenschaften. Klingt seltsam? Funktioniert allerdings ungewöhnlich gut. Ich hoffe, dass HD Vibration bei vielen Spielen genutzt wird und nicht nur ein nettes Feature bleibt, das letztlich niemand braucht. Besagtes „1-2 Switch“ verdeutlicht schon einmal das Potential – bezogen auf das gesamte System. Es ist bedauerlich, dass Nintendo darauf verzichtet, diese Kollektion einfach als kostenlosen Bonus jeder Konsole beizulegen (als Download zum Beispiel). Das hätte sich angeboten. So aber dürfen wir noch einmal 20 Euro zum Konsolenkauf investieren. Seufz.

Ansonsten sind die Joy-Con-Controller auch zusammengesteckt als reguläres Gamepad besser, als ich befürchtet hatte. Der separat erhältliche Pro-Controller eignet sich sehr viel besser zu längeren Zocken auf der Couch. Den probierte ich auch aus – ein feines Eingabegerät, keine Frage. So oder so: Nach spätestens eins, zwei Stunden kommt ihr mit den veränderten Controllern klar, auch wenn der Analogstick des rechten Joy-Con-Controllers ziemlich mittig sitzt. Das konnte wohl nicht anders gelöst werden. Und es fällt nur auf, wenn ihr diesen um 90 Grad dreht und wie ein klassisches Gamepad haltet.

Ich kann übrigens nicht einmal über die anderen Aspekte meckern. Der Wechsel zwischen mobiler und stationärer Anwendung erfolgt ohne Zwangspausen, das 720p-Display der Handheld-Konsole besitzt kräftige Farben, gute Kontraste und lässt nie den Wunsch nach einer höheren Auflösung aufkommen. Nicht probieren konnte ich das Anbringen der Joy-Cons an das Tablet, den Touchscreen sowie das Hangeln durch die Menüs des Systems. Das verhinderte Nintendo bewusst. Warum? Gute Frage.

Was wäre Switch ohne Zelda? (Foto: Sven Wernicke)
Was wäre Switch ohne Zelda? (Foto: Sven Wernicke)

Problem: Software

Diverse Spiele wurden in Berlin vorgeführt, aber ganz ehrlich: Abgesehen von „Zelda“ kickte mich keines. Hier mal eine kleine (Indie-)Entwicklung wie „Fast RMX“, dort Umsetzungen von „Skylanders“, „Just Dance 2017“ oder „Sonic Mania“. Das sind aber auch keine exklusiven Produktionen. Von denen gab es zwar ein paar zu testen, doch was erwartet man schon von „Mario Kart 8“ und „Splatoon 2“? Fortsetzungen eben. Das Boxspiel „Arms“ fand ich ganz dolle furchtbar, das hätte man in anderer Form vermutlich schon auf der Wii realisieren können.

Logo, Spiele sind immer eine Frage des Geschmacks. Doch sie entscheiden auch darüber, ob ich eine Konsole unbedingt sofort haben will oder warten kann – bis etwas erscheint, das mich anspricht. Auf dem Nintendo-Event wurde mir immer klarer: Switch ist eine evolutionäre Fortführung des Wii- und Wii U-Gedankens, der jetzt ein aktuelles Lebensgefühl junger Menschen abbilden möchte. Sich immer und überall unterhalten, gerne auch mit Freunden gemeinsam etwas spielen. Die Richtung ist gut und überaus vielversprechend. Nur warum soll ich mir das Gerät jetzt kaufen, wenn ich nichts weiter zum Zocken habe? Ein paar Minispiele und „Zelda“? Hm. Das überzeugt mich nicht so richtig.

Nicht so schlimm. Warte ich halt…

Genau das scheint sogar Nintendo bewusst zu sein. Switch wird absichtlich am 3. März 2017 veröffentlicht. Das Weihnachtsgeschäft ist vorbei, das Interesse an der Konsole also auf ein „gesundes“ Maß geschrumpft. Fans und Early Adopters greifen zu, alle anderen können ruhig warten. Bis weitere Spiele erschienen sind. Und spätestens zu Weihnachten 2017 ist das Games-Portfolio groß genug, dass man sich ein vielleicht attraktives Bundle zulegen möchte. Nintendo rechnet sogar damit, dass es nicht zu Lieferengpässen kommt – eben weil man den Launch der Konsole sozusagen bis zum Ende des Jahres zieht. Erst die Hardware-Freaks bedienen (die dann wohl auch mehr bezahlen), später nach und nach den Massenmarkt erobern. Ich finde das clever. Dass dieser Plan aufgehen kann, verdeutlichte Nintendo schon beim Release des 3DS. Bei dem verlief das ähnlich.

Auch in dieser Form kann man damit gut spielen. (Foto: Sven Wernicke)
Auch in dieser Form kann man damit gut spielen. (Foto: Sven Wernicke)

Nach ungefähr vier Stunden mit Switch und den ersten Spielen für die Plattform verstärkt sich mein Empfinden in eine positive Richtung: Das Konzept ist schlüssig, das Produkt hat offenbar Hand und Fuß, HD-Vibration ist klasse. Aber ich muss die Konsole nicht zum Launch kaufen, wirklich nicht. Dafür ist mir das Spieleangebot einfach zu dünn. Und Nintendo muss mir noch einige unklare Fragen beantworten: Welche Hardware steckt in dem Tablet? Kann ich nicht wenigstens erworbene Virtual-Console-Spiele von Wii und Wii U auf Switch übertragen? Wann kommen Netflix, Amazon, Spotfiy und Co.? Die wichtigsten Streaming-Anbieter möchte ich im Jahr 2017 nämlich auch auf einer Konsole haben.

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Sven Wernicke
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