View-Master
Erinnert ihr euch an den View-Master? Das Spielzeug ist bereits Jahrzehnte alt und trug viele verschiedene Namen. Jetzt ist für recht wenig Geld eine neue Edition mit Virtual Reality-Elementen erhältlich. Der Praxistest.
Als Kind der DDR war mir der View-Master bis vor einigen Monaten kein Begriff, hieß das sozialistische Gegenstück Stereomat. Ob Ost oder West – das Konzept war immer gleich: Ihr schautet mit euren Augen durch eine Art Brille, in der sich spezielle Scheiben befanden. Auf diesen waren meist sieben Bildpaare platziert, die auf Tastendruck gewechselt wurden. Wozu? Um stereoskopische Szenen darzustellen. In dem Apparat waren Linsen integriert, die die winzigen Fotos vergrößerten. Indem die Rückseite des View-Masters gegen das Licht gehalten wurde, konntet ihr etwas erkennen. Als kleiner Knirps fand ich es beeindruckend, dreidimensionale Standbilder betrachten zu können – und das durch eine aus heutiger Sicht simplen Technik, die bereits Ende der 1930er Jahre Kids weltweit begeisterte. Und es gab sogar Nachschub in Form weiterer Scheiben, die meine Eltern damals für mich kaufen mussten. Hach.
Als ich das erste Mal vom Comeback des View-Masters hörte, war für mich klar: Das Teil musst du haben. Und seit einigen Wochen ist das Starterpack von Hersteller Mattel hierzulande erhältlich. Preislich liegt das Gadget zwischen 30 und 40 Euro, ich selbst zahlte inklusive Versandkosten bei einem Amazon Marketplace-Händler genau 33,98 Euro. Bewusst sollte euch schon im Vorfeld sein: Für diese Summe bekommt ihr ein Gerät, das nicht wie das Original ohne Zubehör funktioniert. Denn ein aktuelles Smartphone mit iOS oder Android wird vorausgesetzt.
Umso besser das Smartphone…
Mattel bewirbt den neuen View-Master mit dem Aspekt „Virtuelle Realität“. Und diese wird durch euer Mobiltelefon erschaffen. Empfohlen werden die beliebtesten Smartphones der Gegenwart – vom iPhone 5 bis zum 6 Plus sowie vom Samsung Galaxy S4 bis zu S6(Edge). Top-Devices von Motorola (Moto X, Droid Turbo), LG (G3, G4) oder HTC (One, Nexus 6, Nexus 5) werden ebenfalls explizit genannt. Letztlich dürften zig andere Telefone geeignet sein. Vor dem Kauf probiert ihr am besten aus, ob die View-Master-Apps aus dem AppStore bzw. Google Play Store funktionieren. Ist das der Fall, klappt es auch mit dem View-Master. Als Faustregel sollte gelten: Umso leistungsfähiger euer Handy, umso wahrscheinlicher ist die Freude mit dem Spielzeug. Ratsam ist ein Smartphone mit einem möglichst hochauflösenden Display um die 5 Zoll. Ich selbst setzte mein Samsung Galaxy S6 Edge ein.
Weiter geht’s: In der großen Verpackung findet ihr alles, was ihr zum Loslegen benötigt. Die Brille, die ihr in euren Händen haltet und nicht fest aufsetzen könnt, muss nicht zusammengebaut werden. Zusätzlich bekommt ihr ein paar Erklärungen und eine View-Master-Scheibe – eine sogenannte Erlebniskarte – dazu. Mit dieser schaltet ihr Inhalte in den offiziellen View-Master-Apps (Weltraum, National Geographics: Wildtiere, Spannende Orte) frei, allerdings längst nicht alles. Im Preis inbegriffen ist die Vollversion für eine dieser Anwendungen, die anderen beiden müssen – wenn gewünscht – erworben werden. Zum Glück könnt ihr vorab ausführlich testen, was sich lohnt.
Der eigentliche Apparat ist erstaunlich wuchtig und hinterlässt einen Billigplastik-Eindruck. Aber ich will das gar nicht mal überbewerten, denn der Hersteller hat eine clevere Idee parat: Ihr öffnet die Brille und legt dort euer Smartphone ein. Durch einen Federmechanismus könnt ihr euer Telefon fest und stabil einschieben, mittels eines beiliegenden Adapters hält auch das „alte“ iPhone 5 fest. Schließt danach die Brille durch eine Verriegelungsklappe – da kann nichts rausfallen. Fertig. Nur hoffentlich habt ihr zuvor die jeweilige App gestartet, denn sonst könnt ihr den View-Master wieder öffnen…
Komfort? Naja…
Das ist das Problem: Mattel verzichtet auf eine Standard-App, die eine Navigation durch die passenden Programme bzw. Spiele ermöglicht. Stattdessen sollt ihr Apps direkt am Touchscreen starten, den View-Master schließen und die Brille verwenden. Der ständige Wechsel ist nervig und gerade für Kinder unnötig umständlich. Schlimmer noch: Die drei offiziellen „Games“ sind ziemlich langweilig, teils von ernüchternder visueller Qualität und kaum mit dem Klassiker zu vergleichen. Dabei ist der Grundgedanke toll: Legt die Erlebniskarte vor euch auf den Tisch und visiert diese innerhalb einer App mit dem View-Master an. Schon wird diese dank Augmented Reality erkannt, was das Aktivieren neuer Inhalte zur Folge hat. Möglich wird dies durch die fast durchsichtige Vorderseite der Brille und der Kamera des Smartphones. Nett, keine Frage.
Betonen möchte ich, dass der View-Master recht schwer ist und damit Kids bei längerer Verwendung anstrengen dürfte. Die vor dem Fall sichernde Schlaufe darf ausschließlich an der linken Hand befestigt werden, eure normale Brille müsst ihr vor dem Verwenden absetzen. Die Sehstärke kann nicht nachjustiert werden, was für manche ein Problem sein wird.
Was an dem View-Master nun Virtual Reality ist? Im Grunde reden wir hier über 360-Grad-Anzeigen von Videos oder Standbildern, die Bewegungssensoren des Smartphones werden gleichzeitig berücksichtigt. Jedem Auge werden individuelle Szenen präsentiert, die Linsen vergrößern das Dargestellte. So entsteht ein guter räumlicher Eindruck. Das ist mit der Funktionalität einer Cardboard-VR-Brille identisch. Und da wären wir schon beim nächsten Punkt und dem eigentlichen Haupt-Mehrwert des View-Masters.
Cardboard-kompatibel!
Google deutete kürzlich an, ein Nachfolger der eigenen Cardboard-Pappbrille könnte dieses Jahr erscheinen. Aus Plastik soll sie sein und über Sensoren verfügen. Eigene Technik kann der View-Master zwar nicht bieten, dafür aber eine sehr feste Bauweise und erstaunlich gute Linsen, die ich ohne weiteres mit denen aus der GearVR vergleichen würde. Vielleicht ist Mattels Lösung ja die Basis für die Cardboard-Zukunft? Jedenfalls ist sie schon jetzt kompatibel zu zahllosen Cardboard-Programmen. Im Inneren entdeckt ihr einen QR-Code, den ihr mit der offiziellen App einscannt. Fertig ist die Einrichtung und ihr könnt ziemlich problemlos VR-Spiele und –Techdemos aus dem Google Play Store bzw. dem AppStore laden. Für iOS ist das Angebot leider überschaubar, für Android dagegen wartet ein reichhaltiges Sortiment – übrigens auch für ein erwachseneres Publikum. Grusel-Spaß wie „Sisters“ oder obligatorische Achterbahn-Fahrten erweitern den Nutzen des View-Masters gravierend.
Fazit: Teure, nette Cardboard-Brille
Ja, ihr bekommt Cardboard-Brillen für unter 10 Euro. Diese bestehen aus Pappe, halten nicht allzu viel aus und „glänzen“ häufig nicht gerade mit guten Linsen. Aber mit diesen funktionieren die View-Master-Apps ebenfalls, ihr müsst also nicht wirklich 30 Euro für dieses Starterpaket ausgeben. Von Geldschneiderei kann dennoch nicht die Rede sein, denn obwohl die AR-Elemente leider nur oberflächlich genutzt werden und die drei VR-Apps von Mattel qualitativ nicht überzeugen können, erhaltet ihr eine robuste VR-Brille mit voller Cardboard-Kompatibilität, einer guten Verarbeitung und einer löblichen Flexibilität, bei der verschiedenste Smartphones dank eines überlegten Mechanismus‘ eingesetzt werden können.
Ich finde, Mattel verschenkt Potential, denn die Apps lassen kein „wow“-Gefühl entstehen. Seht den neuen View-Master eher als wertige Cardboard-Brille mit ein wenig Stereoskopie-Nostalgie, dann sind die 30 Euro gut investiert. Das setzt freilich ein gewisses Grundinteresse an VR und Neugierde beim Ausprobieren zahlloser Apps voraus. Am Schluss ist und bleibt auch der View-Masters eine Spielerei – das ist euch hoffentlich klar?!
Den View-Master bekommt ihr bei Amazon für besagte 30 Euro. Weitere Details erhaltet ihr direkt beim Hersteller.
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